Lagebericht
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Prüfsiegel gültig bis 01.04.18
Inhaltsverzeichnis
Definition
Der Lagebericht stellt ein zusätzliches Berichtsinstrument der Rechnungslegung dar, welcher die Informationen des Abschlusses verdichtet sowie in sachlicher und zeitlicher Hinsicht ergänzt, um den Rechnungslegungsadressaten ein zutreffendes Bild über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu vermitteln. Neben der Bezugnahme auf die im Abschluss vorgetragenen Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage werden im Lagebericht darüber hinaus auch Informationen allgemeiner Art vermittelt. Der Lagebericht gehört nicht zu den Bestandteilen des Abschlusses, sondern es handelt sich hierbei um ein eigenständiges Instrument der Rechnungslegung. Häufig bezeichnet man den Lagebericht auch als die zweite eigenständige Säule der Rechnungslegung.
Bestimmte kapitalmarktorientierte Unternehmen haben den Lagebericht um übernahmerelevante Angaben (§ 289a HGB/§ 315a HGB) eine Erklärung der Unternehmensführung (§289e HGB/§ 315d) zur ergänzen. In Letzterer sind seit dem Geschäftsjahr 2017 auch eine nichtfinanzielle Erklärung (§ 289b HGB / § 315 b HGB) und ein Diversitätskonzept enthalten.
Gesetzliche Grundlagen
Die zentrale gesetzliche Institution, welche die Pflicht zur Aufstellung eines den Jahresabschluss begleitenden Lageberichts definiert, bildet § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB. Danach sind mittelgroße und große Kapitalgesellschaften, welche nicht eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB darstellen, ergänzend zum Abschluss zur Aufstellung eine Lageberichts verpflichtet. Zugleich fällt der Lagebericht einer mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaft unter die Prüfungspflicht nach § 316 Abs. 1 HGB. Ebenso ist der Lagebericht einer mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaft nach § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB zusammen mit dem Abschluss in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres für das vorangegangene Geschäftsjahr aufzustellen.
Eine analoge Möglichkeit zur Befreiung von der Lageberichterstattung besteht nach § 264 Abs. 4 HGB für Kapitalgesellschaften, welche Tochterunternehmen eines nach § 11 PublG zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichteten Mutterunternehmens sind und in diesem Konzernabschluss das Wahlrecht aus § 13 Abs. 3 S. 1 PublG nicht angewendet wurde. Des Weiteren hat der Gesetzgeber eine umfangreichere Befreiungsmöglichkeit von der Lageberichterstattung für Personenhandelsgesellschaften i.S.d. § 264a HGB in § 264b HGB verankert, weil hier z.B. auch eine Selbstbefreiung möglich ist.
Kleine Kapitalgesellschaften i. S.d. § 267 Abs. 1 HGB sind von der Aufstellungs- und Prüfungspflicht nach § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB und § 316 Abs. 1 HGB ausgenommen, jedoch dazu berechtigt. Dieser Befreiungstatbestand gilt allerdings nur dann, wenn die jeweilige Gesellschaft kein kapitalmarktorientiertes Unternehmen i.S.d. § 264 darstellt. Derartige Gesellschaften werden gemäß § 267 Abs. 3 S. 2 HGB stets als große Kapitalgesellschaft eingestuft und sind daher nach § 264 Abs. 1 S. 1 HGB dazu verpflichtet einen Lagebericht aufzustellen. Analog gilt die größenabhängige Befreiung von der Lageberichterstattung für kleine Personenhandelsgesellschaften i.S.d. § 264a Abs. 1 HGB. Diesen Gesellschaften wird es ebenso nicht verwehrt, freiwillig einen Lagebericht zu publizieren.
Die Pflicht zur Aufstellung des Konzernlageberichts ist gesetzestechnisch in § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB festgehalten, wonach die gesetzlichen Vertreter eines Mutterunternehmens in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft dazu verpflichtet sindt, begleitend zum Konzernabschluss des Mutterunternehmens einen Konzernlagebericht aufzustellen.
Für die inhaltliche Ausgestaltung des (Konzern-)Lageberichts bildet die zentralen gesetzlichen Institutionen der Gesetzestext aus § 289 Abs. 1 HGB (bzw. § 315 Abs. 1 HGB), welcher wie folgt lautet: „(1) 1 Im Lagebericht sind der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. 2 Er hat eine ausgewogene und umfassende, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit entsprechende Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft zu enthalten. 3 In die Analyse sind die für die Geschäftstätigkeit bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren einzubeziehen und unter Bezugnahme auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern. 4 Ferner ist im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde liegende Annahmen sind anzugeben. 5 Die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 264 Abs. 2 Satz 3 haben zu versichern, dass nach bestem Wissen im Lagebericht der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird, und dass die wesentlichen Chancen und Risiken im Sinne des Satzes 4 beschrieben sind.“
Insgesamt decken sich die Forderung aus § 315 Abs. 1 HGB insgesamt mit § 289 Abs. 1 HGB. Die Vorgaben aus diesem Gesetzestext werden auch als der harte Kern des Lageberichts bezeichnet, den sog. Wirtschaftsbericht.
Funktionen
Als der übergreifende Zweck der Lageberichterstattung ist die Bereitstellung von entscheidungsrelevanten Informationen, welche die Rechnungslegungsadressaten nicht aus den Instrumenten des Abschlusses entnehmen können, zu sehen. Aus diesem Zweck lassen sich eine Reihe neben der klassischen Funktion der Rechenschaftslegung als weitere Funktionen die Verdichtung und Ergänzung der Informationen aus dem Abschluss sowie eine Beurteilungsfunktion der Lageberichterstattung ableiten.
Der Lagebericht erfüllt wie der Abschluss eine Rechenschaftsfunktion. Diese übernimmt die Lageberichterstattung dadurch, dass die gesetzlichen Vertreter des Unternehmen im Rahmen der Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens gegenüber den Rechnungslegungsadressaten durch einen umfassenden Überblick über die wirtschaftlichen Entwicklungen des abgelaufenen Geschäftsjahres einschließlich ihrer ursächlichen Ereignisse sowie über die Gesamtlage des Unternehmens Rechenschaft ablegen. Die Rechenschaftsfunktion des Lageberichts hat dabei losgelöst von den von den einzelnen Posten des Abschlusses zu erfolgen, muss aber im Sinne der Generalnorm aus § 289 Abs. 1 Satz 1 HGB (bzw. § 315 Abs. 1 Satz 1 HGB), ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln.
Die Verdichtungsfunktion der Lageberichterstattung kommt in der Zusammenfassung der im Abschluss abgebildeten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zum Ausdruck, indem der Lagelagebericht die im Abschluss abgebildete Vielzahl von Einzelinformationen zu einer Gesamtaussage zusammenfasst und somit verdichtet.
Die Ergänzungsfunktion des Lageberichts erfolgt sowohl in sachlicher als auch zeitlicher Hinsicht. Die sachliche Ergänzung des Abschlusses erfolgt dadurch, dass im Lagebericht Informationen vermittelt werden, welche über die im Abschluss originär abgebildete Vermögens-, Finanz- und Ertragslage hinausgehen. Hierbei handelt es sich vor allem um Informationen über die allgemeine Lage des Unternehmens wie z. B. die relevanten gesamtwirtschaftlichen und branchenbezogenen Rahmenbedingungen, Qualität des Managements, Organisation des Unternehmens und dessen Marktstellung sowie über die Beschaffungs- und Personallage. Bei Unternehmen, von denen aufgrund der Gepflogenheiten ihrer Branche das Betreiben von Forschung und Entwicklung im größeren Rahmen zählt, sind Informationen hierrüber für die Rechnungslegungsadressaten von besonderem Interesse. Die zeitliche Ergänzungsfunktion erfüllt der Lagebericht dadurch, indem die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens dazu verpflichtet sind, neben den Informationen über die vergangene Geschäftsentwicklung und gegenwärtige wirtschaftliche Lage auch prospektive Informationen über die künftige Geschäftsentwicklung zu veröffentlichen sowie durch die Einbeziehung Informationen, die über den Bilanzstichtag hinausgehen.
Der Lagebericht erfüllt schließlich eine Beurteilungsfunktion, indem die gesetzlichen Vertreter im Rahmen der Rechenschaftsfunktion dazu verpflichtet sind, die Lage des Unternehmens zu beurteilen. Dabei sind sie insbesondere dazu verpflichtet die voraussichtliche Geschäftsentwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen.
Inhalte
Der Wirtschaftsbericht, welcher inhaltlich in § 289 Abs. 1 HGB (bzw. § 315 Abs. 1 HGB) gesetzestechnisch vorgegeben ist, kann anhand seiner Berichtsschwerpunkte unterteilt werden in einem Wirtschaftsbericht im engeren und im weiteren Sinn.
Mit dem Wirtschaftsbericht im engeren Sinn legen die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens nach § 289 Abs. 1 Satz 1 (bzw. § 315 Abs. 1 Satz 1 HGB) Rechenschaft ab über den vergangenen Geschäftsverlauf einschließlich über das Geschäftsergebnis und über die aktuelle wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Die Darstellung des Geschäftsverlaufs soll den Rechnungslegungsadressaten einen Überblick über vergangene Geschäftsentwicklung des Unternehmens sowie ursächlichen Ereignisse vermitteln. Im Einzelnen haben die Ausführungen zum Geschäftsverlauf eine Darstellung der für das Unternehmen relevanten Entwicklung der Gesamtwirtschaft und Branche sowie zu den Entwicklungen der betrieblichen Funktionsbereichen zu enthalten (Beschaffung, Produktion, Absatz, Finanzierung, Investition und Personalwesen). Innerhalb der Ausführungen des Geschäftsverlaufs ist auch das Geschäftsergebnis darzustellen. Gegenüber der Berichterstattung zum Geschäftsverlauf sollen die Rechnungslegungsadressaten im Rahmen der Darstellung zur Lage Kenntnisse über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ein Gesamtbild über das berichtende Unternehmen erlangen. Die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens haben hierbei eine Bestandsaufnahme aller dem Unternehmen zu gegenwärtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Mittel und Potenziale vorzunehmen. Diese Rechenschaftslegung zum Geschäftsverlauf und zur Lage ist nach § 289 Abs. 1 Satz 2-3 HGB (bzw. § 315 Abs. 2 Satz 2-3 HGB) unter Bezugnahme auf die im Abschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu stützen durch eine Analyse des Geschäftsverlaufs und der wirtschaftlichen Lage anhand der bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren. Hierbei handelt es sich um Kennzahlen, die auch für die Abschlussanalyse verwendet werden, wie z. B. Liquiditätsgrade oder Kapitalstruktur. Diese Kennzahlen sind zu erläutern und zudem ist auch ein Zusammenhang zwischen den Kennzahlen und den Beträgen und Angaben aus dem Abschluss herzustellen. Große Kapitalgesellschaften und Konzerne haben darüber hinaus nach § 289 Abs. 3 HGB bzw. § 315 Abs. 3 HGB in die Analyse nicht-finanzielle Leistungsindikatoren (z. B. Humankapital, Kundenstamm etc.) in die (Konzern-)Lageberichterstattung einzubeziehen, sofern diese Analyse für die Adressaten wesentlich ist.
Der Wirtschaftsbericht im weiteren Sinn umfasst nach Wortlaut des Gesetzes aus § 289 Abs. 1 Satz 4 (bzw. § 315 Abs. 1 Satz 4 HGB) eine Prognose-, Chancen- und Risikoberichterstattung. Im Rahmen der Prognoseberichterstattung haben die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens ihre Erwartungen im Hinblick auf die künftige Geschäftsentwicklung zu erläutern und zu beurteilen. Anknüpfungspunkte stellen hierzu jene Sachverhalte aus dem Wirtschafsbericht im engeren Sinn dar, welche im Rahmen der Prognoseberichterstattung nunmehr zukunftsorientiert zu betrachten sind. Demgegenüber sind im Rahmen der Chancenberichterstattung jene Chancen zu erläutern und beurteilen, welche sich im wesentlichen Umfang positiv auf die voraussichtliche Geschäftsentwicklung des Unternehmens auswirken können. Diese Ausführungen stehen in einem engen Zusammenhang mit der Prognose zur künftigen Lage des Unternehmens sowie zu den finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren. Schließlich ist es Aufgabe der Risikoberichterstattung den Rechnungslegungsadressaten Informationen darüber zu vermitteln, mit welchen Risiken die künftige Geschäftsentwicklung des Unternehmens verbunden ist. Berichtspflichtig sind hierbei bestandsgefährdende Risiken sowie jene mit wesentlichem Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.
Im Lagebericht ist auch einzugehen auf:
1. die Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft einschließlich ihrer Methoden zur Absicherung aller wichtigen Arten von Transaktionen, die im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften erfasst werden, sowie die Preisänderungs-, Ausfall- und Liquiditätsrisiken sowie die Risiken aus Zahlungsstromschwankungen, denen die Gesellschaft ausgesetzt ist, jeweils in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten durch die Gesellschaft und sofern dies für die Beurteilung der Lage oder der voraussichtlichen Entwicklung von Belang ist;
2. den Bereich Forschung und Entwicklung;
3. bestehende Zweigniederlassungen der Gesellschaft.
Des Weiteren kommen für bestimmte kapitalmarktorientierte Unternehmen noch die in der Definition genannten und ab 2017 von der CSR-Richtlinie beeinflussten Bestandteile hinzu.
Literatur
Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller (Hrsg.): Haufe HGB Bilanz Kommentar, 8. Aufl., Freiburg 2017.
Müller/Stute/Withus (Hrsg.): Handbuch Lagebericht - Kommentar von § 289 und § 315 HGB, DRS 20 und IFRS Management Commentary, Berlin 2013.
Stute: Lagebericht und Konzernlagebericht. Grundlagen und Darstellung, IBP 13, Berlin 2010.
Tesch/Wißmann: Lageberichterstattung, 2. Aufl., Weinheim 2009.
Erstellender Autor
Dr. Ismail Ergün
Univ.-Prof. Dr. Stefan Müller