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Variantenkostenrechnung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Prozesskostenrechnung bildet zumeist die Basis für verursachungsgerechte Kostenansätze, wird jedoch aufgrund des hohen Aufwands selten in der ursprünglichen ganzheitlichen Form in der Praxis eingesetzt. Hier empfiehlt es sich, Bereiche mit schon bestehender Prozessausrichtung und hohem zu erwartenden Nutzen durch den Prozesskostenrechnungseinsatz auszuwählen.
 
Die Prozesskostenrechnung bildet zumeist die Basis für verursachungsgerechte Kostenansätze, wird jedoch aufgrund des hohen Aufwands selten in der ursprünglichen ganzheitlichen Form in der Praxis eingesetzt. Hier empfiehlt es sich, Bereiche mit schon bestehender Prozessausrichtung und hohem zu erwartenden Nutzen durch den Prozesskostenrechnungseinsatz auszuwählen.
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Bei der Ressourcenorientierten Prozesskostenrechnung werden alle variantenabhängigen Kosten der betroffenen Unternehmensressourcen ermittelt und auf variantenrelevante Tätigkeiten anhand von Verbrauchs- und Kostenfunktionen verrechnet. Dabei werden Gemeinkosten sowie direkte Einzelkosten in variantenabhängigen Unternehmensbereiche und Tätigkeiten bottom-up untersucht und in sogenannten Nomogrammen grafisch dargestellt.  
 
Bei der Ressourcenorientierten Prozesskostenrechnung werden alle variantenabhängigen Kosten der betroffenen Unternehmensressourcen ermittelt und auf variantenrelevante Tätigkeiten anhand von Verbrauchs- und Kostenfunktionen verrechnet. Dabei werden Gemeinkosten sowie direkte Einzelkosten in variantenabhängigen Unternehmensbereiche und Tätigkeiten bottom-up untersucht und in sogenannten Nomogrammen grafisch dargestellt.  
  

Version vom 25. September 2015, 21:26 Uhr

Zusammenfassung

Die wirtschaftliche Bewertung von Variantenkosten ist ein Grundstein für ein erfolgreiches Variantenmanagement. Die häufig in Gemeinkostenbereichen anfallenden Kosten sind jedoch mit der traditionellen Kostenrechnung schwer der einzelnen Variante zuzuordnen, was zu einer Quersubventionierung und falschen Entscheidungen führen kann. Die Variantenkostentenrechnung soll daher Transparenz über die Kostenwirkungen der Varianten- und Teilevielfalt schaffen und somit richtigere und verursachungsgerechtere Entscheidungen ermöglichen. Die enormen Potenziale, die im Thema Variantenmanagement verborgen sind, sollen bewertet und nachhaltig umgesetzt werden. Das haben bereits viele Unternehmen erkannt und daher entsprechende Programme aufgesetzt. Nicht umsonst wird das Variantenmanagement auch als „eine der letzten großen Goldgruben“ bezeichnet.

Variantenkosten – Abgrenzung und Begrifflichkeit

Häufig werden die Begriffe Variantenkosten und Komplexitätskosten (Verweis WIKI) synonym verwendet, dabei sind Variantenkosten lediglich ein Bestandteil der Komplexitätskosten. Variantenkosten beschränken sich auf einen der Haupttreiber der Komplexität: die Variantenvielfalt der Produkte und ihre Auswirkungen. Komplexitätskosten dagegen umfassen zusätzlich auch die Auswirkungen der Vielfalt z.B. bezüglich der Organisation oder Produktions-, IT- und anderer Unternehmensprozesse.

Die Variantenvielfalt kann externe und interne Ursachen haben, häufig versuchen Unternehmen durch die Differenzierung am Markt zusätzliche Erträge und Wettbewerbsvorteile zu generieren. Doch diese zunehmende Individualisierung und Differenzierung erzeugen neben zusätzlichem Kundennutzen auch zusätzliche Kosten in indirekten Bereichen durch die steigende Varianten- und die häufig damit verbundene Teilevielfalt. Fehlt dann die Transparenz über die monetären Auswirkungen kann dies betroffene Unternehmen in die „Komplexitätsfalle“ führen. Die Gemeinkosten in den indirekten, steuernden und planenden Bereichen werden im Rahmen der traditionellen Kostenrechnung über Zuschlagssätze nicht verursachungsgerecht verteilt. Dies führt häufig zu einer Quersubventionierung und damit verbunden zu nicht verursachungsgerecht ermittelten Entscheidungen. Um diese zu vermeiden sowie den Erfolg des Einsatzes von Methoden eines geeigneten Variantenmanagements zu bewerten, ist eine Transparenz der Variantenkosten eine bedeutende Grundvoraussetzung.

Kosten- und Nutzenwirkungen der Variantenvielfalt

Häufig werden nur die negativen Kostenwirkungen der Variantenvielfalt erläutert. Daher muss zuerst klargestellt werden, dass die Variantenvielfalt auch positive Nutzeneffekte mit sich bringt. Die Differenzierung soll zusätzlichen Kundennutzen generieren und damit dem Unternehmen zusätzlichen Umsatz, Gewinn und damit Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen. Für diese kundenindividuellen Produkte können meist höhere Preise erzielt werden, allerdings ergibt sich durch z.B. Kannibalisierungseffekte ein degressiver Nutzenverlauf bei steigender Vielfalt. Allerdings verursachen die Variantenvielfalt und die damit verbundene Teilevielfalt und Produktkomplexität auch zusätzliche Kosten in vielen Unternehmensbereichen. Weiterhin gehen durch sinkende Losgrößen aufgrund höherer Teilevielfalt auch Skaleneffekte verloren. Wildemann spricht in diesem Zusammenhang vom inversen Erfahrungskurveneffekt, bei dem eine Verdopplung der Variantenzahl zu einem Stückkostenanstieg von 20% bis 30% führt. Inzwischen geht man davon aus, dass diese Kosten unternehmensabhängig bis zu 20% der Gesamtkosten ausmachen. Da sich durch die Vielfalt degressive Erlöszuwächse bei überproportionalen Kostensteigerungen ergeben, ist das Ziel des Variantenmanagements die optimale Produktvarianz mit dem maximalen Ergebnis.

Variantenkostenrechnung 1.jpg

Mit der traditionellen Kostenrechnung können diese Kosten nicht verursachungsgerecht ermittelt werden. Sie wirken zumeist in den Gemeinkosten und können schwer der einzelnen Variante oder dem einzelnen Teil zugeordnet werden. Außerdem sind Variantenkosten meist sprungfix und zeitversetzt, d.h. jede einzelne kleine Entscheidung führt noch nicht zu einer Kostensteigerung, aber über die Vielzahl an zusätzlichen Varianten und Teilen erhöhen sie sich schleichend oder bei Kapazitätsengpässen (z.B. Fläche) sprungfix. Weiterhin erschweren einige Kalkulations- und Kosteneffekte eine möglichst verursachungsgerechte Zuordnung. Somit werden die Variantenkosten bei komplexitätsverändernden Entscheidungen selten verursachungsgerecht berücksichtigt.

Weiterhin wird die Quersubventionierung von Exotenvarianten durch Standardvarianten zur Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit. Durch Zuschlagssätze werden einerseits Exotenvarianten mit zu geringen Zuschlägen bedacht und andererseits Standardvarianten zu hohe Kosten zugerechnet. Dies führt dazu, dass Exoten durch Rennerprodukte quersubventioniert werden. Ferner führen ein weiterer Rückgang der Stückzahlen bei Volumenprodukten und mangelnde Kostentransparenz zum Angebot von weiteren Varianten, da diese etwas höhere Preise als Standardprodukte ermöglichen, und somit zu steigender Quersubventionierung. Die Gefahr liegt allerdings nicht nur in einem defizitären Exotenangebot, sondern auch in einem Angriff auf die Rennerprodukte durch einen spezialisierten Wettbewerber, der diesen Standard kostengünstig und ohne hohe Gemeinkostenzuschläge anbieten kann. Der Verlust der gewinnbringenden Standardvarianten führt noch weiter in die bereits erwähnte „Komplexitätsfalle“.

Variantenkostenrechnung 2.jpg

Anforderungen an die Variantenkostenrechnung

Entscheidungen im Rahmen verschiedener Methoden der drei Strategien des Variantenmanagements (Vermeidung, Reduzierung und Beherrschung) erfordern Transparenz über die wirtschaftlichen Auswirkungen. Durch eine verursachungsgerechte Variantenkostenrechnung sollen die erläuterten Gemeinkosten möglichst frühzeitig (aufgrund der Beeinflussbarkeit der Kosten) und bereichsübergreifend transparent zugeordnet werden. Die Zuschlagskalkulation der traditionellen Kostenrechnung (mit der „Gießkanne“) berücksichtigt diese nicht ausreichend für eine gezielte Steuerung der Variantenvielfalt sowie die frühzeitige Kostenschätzung. Meist wird daher mit einer Variation der Prozesskostenrechnung versucht, auf Basis einer Analyse der Kostenstruktur geeignete Zahlen für die Entscheidungsrechnung z.B. bezüglich des Einsatzes von Methoden des Variantenmanagements bereitzustellen. Die Prozesskostenrechnung soll die Kostentransparenz erhöhen, die Produktkalkulation verbessern und somit richtige strategische Entscheidungen ermöglichen. Jedoch wird sie aufgrund des hohen Aufwands eher selten in der ursprünglichen ganzheitlichen Form eingesetzt. Unternehmensspezifisch ist dabei zu entscheiden, wie groß der Aufwand dieser Kostenrechnungsmethode sein soll.

Arten der Variantenkostenrechnung

Um die im letzten Abschnitt aufgeführten Anforderungen erfüllen zu können, gibt es einige Ansätze. Gemeinsam haben diese Ansätze die starke Prozessorientierung, um die Variantenkosten verursachungsgerechter zuordnen zu können. Drei ausgewählte Ansätze, bei denen zumindest teilweise auch ein Praxiseinsatz nachweisbar ist, sind:

- Prozesskostenrechnung

- Ressourcenorientierte Prozesskostenrechnung

- Variantenkostenrechnung mit faktorenanalytischen Komplexitätstreibern

Die Prozesskostenrechnung bildet zumeist die Basis für verursachungsgerechte Kostenansätze, wird jedoch aufgrund des hohen Aufwands selten in der ursprünglichen ganzheitlichen Form in der Praxis eingesetzt. Hier empfiehlt es sich, Bereiche mit schon bestehender Prozessausrichtung und hohem zu erwartenden Nutzen durch den Prozesskostenrechnungseinsatz auszuwählen.

Bei der Ressourcenorientierten Prozesskostenrechnung werden alle variantenabhängigen Kosten der betroffenen Unternehmensressourcen ermittelt und auf variantenrelevante Tätigkeiten anhand von Verbrauchs- und Kostenfunktionen verrechnet. Dabei werden Gemeinkosten sowie direkte Einzelkosten in variantenabhängigen Unternehmensbereiche und Tätigkeiten bottom-up untersucht und in sogenannten Nomogrammen grafisch dargestellt.

Die Ressourcenorientierte Prozesskostenrechnung eignet sich aufgrund des hohen Erstellungsaufwands vor allem für gleich bleibende Prozesse bei variantenreichen Serienprodukten. Dagegen ist sie bei dynamischen Prozessen mit stark individualisierten Produkten nur mit Anpassungen in der Unternehmenspraxis einsetzbar.

Die Variantenkostenrechnung mit faktorenanalytischen Komplexitätstreibern wird in der Praxis bei der Heidelberger Druckmaschinen AG angewendet. Dieser prozessorientierte Ansatz wird seit mehreren Jahren erfolgreich eingesetzt, um durch die verursachungsgerechtere Kostenzuordnung die Komplexität aktiv zu steuern sowie zu besseren und ganzheitlichen Entscheidungen zu kommen. Zur Analyse und Bewertung von Variantenkosten werden aus einer statistischen Auswertung einer Expertenbefragung unternehmens- und bereichsspezifische Komplexitätsfaktoren ermittelt.

Diese anhand einer Faktorenanalyse gewonnenen übergeordneten Komplexitätsfaktoren bestimmen anschließend das Vorgehen der prozessorientierten Variantenkostenanalyse entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Der entwickelte Ansatz für die Prozessanalyse der Variantenkosten basiert auf der Prozesskostenrechnung und ähnelt der ressourcenorientierten Prozesskostenrechnung. Im Gegensatz zur eigentlichen Prozesskostenrechnung werden aber lediglich die variantenabhängigen Prozesse in den von der Variantenvielfalt betroffenen Bereichen analysiert. Außerdem wird, bis auf wenige Ausnahmen, nicht der Anteil der variantenabhängigen Kosten an den Bereichs-Gesamtkosten top-down errechnet, sondern es wird bottom-up analysiert, welche variantenabhängigen Prozesse in einem Bereich notwendig sind. Der entwickelte Ansatz unter Berücksichtigung von Komplexitätsfaktoren zeigt eine neue Methodik zur Analyse von Variantenkosten. Die Systematik der Prozessanalyse und der Detaillierungsgrad sind unternehmensspezifisch in Abhängigkeit von den analysierten Komplexitätsfaktoren und der Bedeutung der Auswirkungen der Variantenvielfalt zu wählen. Der Ansatz kann flexibel auf die speziellen Anforderungen der von der Variantenvielfalt unterschiedlich betroffenen Unternehmen angepasst werden. Für diese Systematik der Variantenkostenbewertung sowie den ganzheitlichen Ansatz des Komplexitäts-managements wurde die Heidelberger Druckmaschinen AG im Rahmen einer Befragung zum Thema „Managing Complexity“ im Frühjahr 2012 durch die Universität St. Gallen aus 175 Unternehmen ausgewählt und als eines von 5 Successful-Practice-Unternehmen ausgezeichnet. Auch in einer Literaturanalyse im Band „Komplexitätscontrolling“ der Buchreihe „Der Controlling-Berater“ wurde dem Ansatz bescheinigt „aus wissenschaftlicher wie aus anwendungsorientierter Sicht von hoher Relevanz“ zu sein.

Literatur

Adam/ Johannwille, Die Komplexitätsfalle, in Adam (Hrsg.), Komplexitätsmanagement, 1998, S. 5–28.

Bayer, Integriertes Variantenmanagement – Variantenkostenbewertung mit faktorenanalytischen Komplexitätstreibern, 2010.

Bayer, Komplexität aktiv steuern – Variantenkostenbewertung bei der Heidelberger Druckmaschinen AG, in: Der Controlling-Berater (Hrsg. Gleich/Klein), Band 23: Gemeinkostencontrolling – Instrumente und Fallbeispiele für die erfolgreiche Umsetzung, 2012.

Boutellier/ Schuh/ Seghezzi, Industrielle Produktion und Kundennähe – ein Widerspruch?, in Schuh/Wiendahl (Hrsg.), Komplexität und Agilität: Steckt die Produktion in der Sackgasse?, 1997, S. 37–63.

Diefenbach/ Schmidt/ Schnellbächer, Literaturanalyse zum Komplexitätscontrolling, in: Der Controlling-Berater (Hrsg. Gleich/Klein), Band 23: Komplexitätscontrolling – Komplexität verstehen und beherrschen, 2013, S. 203-211.

Horváth/ Mayer, Prozesskostenrechnung – Der neue Weg zu mehr Kostentransparenz und wirkungsvolleren Unternehmensstrategien, Controlling, Jg. 1, H. 4/1989, S. 214-219.

Huch/ Lösch, Methoden der Variantenkostenrechnung, in: Franke/Hesselbach/Huch/Firchau (Hrsg.), Variantenmanagement in der Einzel- und Kleinserienfertigung, 2002, S. 26-51.

Lindstädt, Wachstum: Die drei Strategien, Managementkompass, 1/2006, S. 8-10.

o. V., Kongress: Varianten als „letzte große Goldgrube“ der Automobilindustrie, Auto Information, Nr. 1811, 2006.

Rathnow, Integriertes Variantenmanagement: Bestimmung, Realisierung und Sicherung der optimalen Produktvielfalt, 1993. Schuh/ Schwenk, Produktkomplexität managen: Strategien – Methoden – Tools, 2001.

Wildemann, Fertigungsstrategien: Reorganisationskonzepte für eine schlanke Produktion und Zulieferung, 3. Aufl., 1997.

Wildemann, Variantenmanagement: Leitfaden zur Komplexitätsreduzierung, -beherrschung und -vermeidung in Produkt und Prozess, 16. Aufl., 2008.

Ersteinstellender Autor

Dr. Tobias Bayer, Leiter Fertigungscontrolling und Stv. Leiter Komplexitätsmanagement bei der Heidelberger Druckmaschinen AG, [1]