Lieferantenbeurteilungssystem: Unterschied zwischen den Versionen
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Wannenwetsch, H. (Hrsg.): Integrierte Materialwirtschaft und Logistik, 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2004. | Wannenwetsch, H. (Hrsg.): Integrierte Materialwirtschaft und Logistik, 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2004. | ||
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Version vom 3. Mai 2011, 19:52 Uhr
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einführung
- 2 1 Welche Bedeutung hat die Lieferantenbeurteilung?
- 3 2 Welchen Nutzen bringt die Lieferantenbeurteilung?
- 4 3 Vorgehensweise bei der Festlegung der individuellen Kriterien
- 5 4 Methoden der Lieferantenbeurteilung
- 6 4.1 Punktbewertungsverfahren
- 7 4.2 Nutzwertanalyse
- 8 4.3 Stärken-Schwächen-Profil
- 9 5 Auswirkungen und Folgemaßnahmen der Lieferantenbeurteilung
- 10 6 Literatur
- 11 Ersteinstellender Autor
Einführung
Die Fertigungstiefe in den Unternehmen beträgt teilweise nur noch 10 %, d. h., dass 90 % der Wertschöpfung eines Produktes von den Lieferanten bezogen werden. Teilweise wird in der Automobilindustrie die Fertigung eines Pkws komplett an Systemlieferanten vergeben. Damit werden die Lieferanten zu wettbewerbsentscheidenden Faktoren für die Hersteller. Der richtigen Auswahl der Lieferanten kommt deswegen besondere Bedeutung zu. Eine professionelle Methode, mit der sowohl die leistungsfähigen als auch die kristischen Lieferanten zu erkennen sind, stellt das Lieferantenbeurteilungssystem dar.
1 Welche Bedeutung hat die Lieferantenbeurteilung?
Die Lieferantenbeurteilung lässt sich wie folgt umschreiben: Unter einem Lieferantenbeurteilungssystem versteht man die Beurteilung von Lieferanten nach verschiedenen Kriterien. Die Kriterien wie Qualität, Preis oder Lieferzuverlässigkeit sind dabei vorher festzulegen. Die Lieferantenbeurteilung ist ein Instrument der Beschaffungspolitik und wird oft in Zusammenarbeit mit der Beschaffungsmarktforschung durchgeführt. Die Beurteilung durch den Kunden bzw. Hersteller kann vor, während oder nach der Belieferung durch den Lieferanten erfolgen. Es gibt verschiedene Lieferantenbeurteilungssysteme wie z. B. das Punktbewertungsverfahren oder die Nutzwertanalyse.
2 Welchen Nutzen bringt die Lieferantenbeurteilung?
Die Lieferantenbeurteilung analysiert die Lieferanten bezüglich ihrer Stärken und Schwächen. Leistungsfähige Lieferanten, welche den eigenen betrieblichen Zielvorstellungen entgegenkommen, lassen sich so gezielt auswählen. Andererseits identifiziert man kritische bzw. unzuverlässige Lieferanten, die oft zu spät oder schlechte Qualität liefern. Die Lieferantenbeurteilungen vor der Belieferung analysiert schon frühzeitig kritische Lieferanten, die man aus der Lieferantenliste ausschließen kann.
Bei schlechten Lieferantenbeurteilungen sind folgende Maßnahmen möglich: • Lieferant wird auf die Fehler hingewiesen unter sofortiger Einleitung von Verbesserungsmaßnahmen; • Reduzierung des Liefervolumens; • Ausschluss des Lieferanten aus der Lieferantenkartei.
Die sorgfältige und regelmäßige Lieferantenbeurteilung reduziert das Risiko von z. B. Fehlmengen oder schlechter Qualität. Durch die damit verbundenen besseren und reibungsloseren Lieferleistungen können die Bestellkosten ebenfalls reduziert werden. Das Beurteilungssystem zwingt Hersteller bzw. Kunden, sich eingehend mit der Auswahl ihrer anzuwendenden Beurteilungskriterien auseinander zu setzen.
3 Vorgehensweise bei der Festlegung der individuellen Kriterien
Bei der Beurteilung eines Lieferanten soll sich die Bewertung seiner Leistungsfähigkeit nicht nur auf das Beschaffungsmaterial an sich, sondern auch auf das gesamte Unternehmen erstrecken. Bei weltweiter Beschaffung (Global Sourcing) ist auch die Bewertung des Landes, in dem der Lieferant seinen Sitz bzw. seine Produktionsstätte hat, oftmals von Bedeutung.
Bei jeder Beurteilungsmethode muss sich das Unternehmen, dessen Einkauf bzw. die beteiligten Bereiche vorher überlegen, welche Kriterien für sie jeweils am wichtigsten sind. Bei vielen Unternehmen ist z. B. der Preis das wichtigste Kriterium. Jedes Unternehmen kann unterschiedliche Kriterien haben. Die einzelnen Kriterien werden jeweils unterschiedlich gewichtet. Das wichtigste Kriterium bekommt die höchste Gewichtung, z. B. Qualität 40 % oder 9 von 10 möglichen Punkten. Das zweitwichtigste Kriterium bekommt eine niedrigere Gewichtung z. B. Preis 30 % oder 7 von 10 möglichen Punkten. Verwenden Sie eine angemessene Anzahl von Kriterien. Bei zu wenigen Kriterien (nur 2-3 Kriterien) kann die Bewertung den betrieblichen Erfordernissen nicht gerecht werden. Bei der Verwendung zu vieler Kriterien wird die Beurteilung nicht mehr aussagekräftig.
Aussagekraft der Bewertungskriterien Die Beurteilungskriterien müssen die betriebliche Wirklichkeit widerspiegeln. Ein Hersteller, der für seine überragenden Qualitätsprodukte bekannt ist, sollte dem Beurteilungskriterium "Qualität" eine hohe Gewichtung beimessen. Viele Unternehmen lassen eine Lieferantenbeurteilung parallel von mehreren Bereichen wie z. B. Einkauf, Qualitätssicherung, Produktion und Vertrieb durchführen. So kommt eine objektive Bewertung zustande. Es entsteht somit eine "cross-funktionale" Lieferantenbewertung.
4 Methoden der Lieferantenbeurteilung
4.1 Punktbewertungsverfahren
Beim Punktbewertungsverfahren sind vorab die Gewichtungskriterien festzulegen wie bspw. Preis, Qualität und Lieferzuverlässigkeit. In das Bewertungsschema werden dann die einzelnen Lieferanten eingetragen. Ein wichtiges Entscheidungskriterium erhält eine hohe Gewichtungsziffer. Für jeden Lieferanten und jedes Kriterium wird ein Punkt von eins bis fünf oder eins bis zehn vergeben. Der dem Lieferanten vergebene Punkt wird mit der Gewichtungsziffer multipliziert. Der am besten bewertete Lieferant hat die höchste Gesamtpunktzahl.
Es kann in der Praxis allerdings vorkommen, dass der "Lieferant X" bei wichtigen Kriterien eine geringe Punktezahl erhält und bei nicht so wichtigen Kriterien eine hohe Punktzahl. Ein anderer "Lieferant Y" hat hingegen bei den wichtigen Kriterien eine hohe Punktzahl und bei den weniger relevanten Kriterien eine niedrige Punktzahl. In diesem Fall sollte bei gleicher Punktzahl dem "Lieferanten Y" der Vorzug gegeben werden. Das nachfolgende Beispiel (s. Tab. 1) zeigt die mögliche Gewichtung bei einem Punktbewertungsverfahren:
Im angeführten Beispiel hätte der Lieferant B die bessere Beurteilung und würde ausgewählt werden. Weitere wichtige Beurteilungskriterien können sich aus dem Umfeld des Lieferanten ergeben und sind z. B. bei weltweitem Einkauf wichtig. Auch diese Kriterien sind entsprechend zu gewichten. Folgende Beurteilungkriterien können sich daraus in der Praxis ergeben (s. Tab. 2):
Verfügt der Lieferant im Ausland über keine ausreichende Infrastruktur, kann es zu Lieferschwierigkeiten kommen. Ist die Eigentümerstruktur nicht klar, können Lieferungen mit Risiken behaftet sein. Dies kann schwer wiegende Folgen haben, wenn es sich um einen wichtigen Lieferanten, einen so genannten Systemlieferanten oder Lieferanten von A-Teilen handelt.
4.2 Nutzwertanalyse
Die Nutzwertanalyse nimmt die Bewertung in Prozent vor. Den Zielkriterien weist man dabei ebenfalls eine Gewichtung zu. Das wichtigste Kriterium erhält dabei die höchste prozentuale Gewichtung. Die Gesamtpunktzahl muss dabei immer 100 % ergeben. Das folgende Beispiel enthält eine Gewichtung nach der Nutzwertanalyse (s. Tab. 3):
Hier ist ebenfalls eine Gewichtung der einzelnen Kriterien innerhalb einer Zielgruppe möglich. Das Kriterium Preis kann in weitere Punkte unterteilt werden, wie das folgende Beispiel zeigt (s. Tab. 4):
Sämtliche Punkte bei den einzelnen Methoden wie Punktbewertungsverfahren oder Nutzwertanalyse lassen sich wie das Kriterium "Preis" weiter unterteilen.
4.3 Stärken-Schwächen-Profil
Das Stärken-Schwächen-Profil ermöglicht es, die Lieferanten anhand einer grafischen Darstellung zu bewerten (vgl. Abb. 1). Diese Methode zeigt eine sehr anschauliche Darstellung der Ergebnisse. Für jeden Lieferanten werden dabei die individuellen Stärken bzw. Schwächen in einer Kurve festgehalten. Durch die Bewertung kann der Lieferant anschließend in vier Kategorien eingestuft werden. Einteilung in vier Kategorien:
• Preferred (90-100 Punkte): die besten Lieferanten; • Accepted (70-89 Punkte): gute Lieferanten; • Restricted (50-69 Punkte): mäßige Lieferanten, die auf Basis von Zielvorgaben zur Verbesserung angehalten werden; • Desourced (< 50 Punkte): schlechte Lieferanten, von denen nach Möglichkeit keine Waren mehr bezogen werden.
Praxis-Tipp Wichtig ist, dass die Lieferantenbeurteilungen den entsprechenden Lieferanten mitgeteilt werden. So haben gute Lieferanten die Möglichkeit, sehr gute Lieferanten zu werden. Weiterhin lassen sich aufgezeigte Schwachpunkte gezielt und schnell beheben.
5 Auswirkungen und Folgemaßnahmen der Lieferantenbeurteilung
Die Lieferantenbewertung wird den Waren und Dienstleistungen, die man vom Lieferanten kauft, gegenübergestellt. Weiterhin vergleicht man, wie die Lieferanten gleicher oder ähnlicher Waren bewertet wurden. Wichtig: Es muss hierbei die Vergleichbarkeit gewährleistet sein. Problematisch ist es, wenn kein anderer Lieferant für die Lieferung zur Verfügung steht. Folgende Maßnahmen lassen sich aus der Lieferantenbewertung ableiten: • Reduzierung des Volumens bzw. Trennung von Lieferanten mit schlechter Beurteilung. • Mäßige Lieferanten hält man mit konstruktiven Zielvorgaben zu Verbesserungen an. Der Einkauf überprüft regelmäßig die Erfüllung der Zielvorgaben. • Gute Lieferanten bekommen ein höheres Auftragsvolumen und werden auf Lieferantentagungen öffentlich ausgezeichnet. • Bei monopolistischen Lieferanten sucht man aktiv nach Ersatzlieferanten bzw. versucht, die Waren anderweitig zu ersetzen oder das Teil ganz wegfallen zu lassen. • Weiterhin sollte man generell die Anzahl der Lieferanten reduzieren, um die Bestellabwicklungskosten zu senken. Dies ist durch eine Bündelung des Volumens von vorher mehreren Lieferanten auf einen einzigen Lieferanten möglich. Das folgende Praxisbeispiel zeigt eine Lieferantenstrategie auf Basis der Lieferantenbewertung (s. Abb. 2):
Auf Basis der Bewertung wurden vom zuständigen Einkäufer gemeinsam mit seinen cross-funktionalen Partnern folgende Entscheidungen getroffen: • Der schlechteste Lieferant (Lieferant A) erhält zukünftig keinen Auftrag mehr. • Der beste Lieferant (Lieferant E) übernimmt dessen Volumen. Die Lieferbeziehung mit Lieferant E wird somit weiter ausgebaut.
Durch die Lieferantenbeurteilung werden bei Lieferantenverhandlungen die Bewertungsergebnisse stark versachlicht. Der Einkäufer kann konkret auf Faktenbasis diskutieren und ist weniger mit dem Vorwurf der Preisdrückerei konfrontiert. Der Lieferant hingegen ist in der Verpflichtung, Ideen und Maßnahmen zu präsentieren, wie er die in der Bewertung dokumentierten Schwächen beheben will.
Praxis-Tipp Die Lieferantenbewertung liefert somit die Grundlage für Verhandlungen mit dem Lieferanten und trägt zu einem objektiven Urteil bei.
Praxis-Beispiel Lieferantenbewertung im Mittelstand Der schwäbische Sensorenhersteller Balluff begann Ende 2001 damit, seine rund 750 Lieferanten zu reduzieren. Auf Basis einer definierten Bewertungssystematik wurden die Kernlieferanten bewertet und in der Folge die übrigen Lieferanten reduziert. War bis zu diesem Zeitpunkt der Preis das weitgehend einzige Kriterium für die Lieferantenentscheidung, so kamen nun Qualität, Logistik und Technologie hinzu. Wie sich zeigte, konnte man dadurch beispielsweise in der Warengruppe Kunststoffspritzguss die über 20 Lieferanten drastisch reduzieren. Das Volumen hat man auf Vorzugslieferanten gebündelt, was deutliche Einsparungen zur Folge hatte. Im ersten Jahr wurde eine Materialkostenreduktion von 20 % angestrebt. Durch die Verringerung der Lieferantenanzahl sank außerdem der Betreuungsaufwand im Einkauf.
6 Literatur
Wannenwetsch, H. (Hrsg.): Erfolgreiche Verhandlungsführung in Einkauf und Logistik. Praxiserprobte Erfolgsstrategien und Wege zur Kostensenkung, 1. Auflage, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2004. Wannenwetsch, H. (Hrsg.): Integrierte Materialwirtschaft und Logistik, 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2004.
Ersteinstellender Autor
Prof. Dr. Helmut Wannenwetsch, BA Mannheim