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Wesentlichkeitsanalyse

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Zusammenfassung

Die Wesentlichkeitsanalyse (Materialitätsanalyse) ist ein Analysewerkzeug, welches im Rahmen der strategischen Analyse angewendet wird. Sie dient dazu, die für ein Unternehmen und seine Anspruchsgruppen (Stakeholder) bedeutenden Nachhaltigkeitsthemen zu ermitteln (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014). Auch die Global Reporting Initiative (GRI, 2006) fordert in ihrem Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung eine solche Wesentlichkeitsanalyse.

Bestandteile und Anwendung

Die Wesentlichkeitsanalyse beinhaltet folgende Analyseteile:

- Umfeldanalyse (externe Analyse)

- Unternehmensanalyse (interne Analyse)

- Analyse der Stakeholder-Erwartungen.

Die Ergebnisse der drei Teilanalysen fließen in einer Matrix zusammen. Das Ergebnis der Umfeld- und der Unternehmensanalyse bildet die erste Dimension der Matrix ab. Die zweite Dimension stellt das Ergebnis der Analyse der Stakeholder-Erwartungen dar. So werden relevante Themen aus Unternehmenssicht und relevante Themen aus Stakeholder-Sicht gegenübergestellt (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014).

Auf diese Weise können relevante Handlungsfelder für den Bereich der Nachhaltigkeit ermittelt werden. Diese Handlungsfelder dienen der Unternehmensleitung als Grundlage für ihre weitere strategische Planung, insbesondere für die

- Festlegung von wichtigen Kennzahlen (Key Performance Indicators, KPI)

- Entwicklung von strategischen Zielen und abzuleitenden Maßnahmen.

Nachdem relevante Bereiche der Nachhaltigkeit für das Unternehmen in der Wesentlichkeitsanalyse ermittelt wurden, kann auf Basis ihrer Ergebnisse eine Wechselwirkungsanalyse (Cross-Impact-Analyse) angeschlossen werden. Die Wechselwirkungsanalyse untersucht den Einfluss von Entwicklungen im Umfeld des Unternehmens auf die einzelnen Geschäftsfelder (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014).


Vorgehensweise

Umfeldanalyse Unternehmen agieren in einem Umfeld, welches nicht oder nur wenig selbst beeinflusst werden kann. Es muss daher seine strategische Planung an Chancen und Risiken ausrichten, die sich durch eine Analyse dieses Umfelds ergeben. (vgl. Dillerup/Stoi 2011, Stein-ke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014).

Die Umfeldanalyse (synonym wird auch der Begriff Umweltanalyse verwendet, da hier die gesamte Unternehmensumwelt gemeint ist, weniger der ökologische Aspekt der Umwelt) umfasst die Analyse folgender Umfeld- (oder Umwelt-)faktoren:

- politisch-rechtliches Umfeld (z.B. Subventionspolitik, Arbeitsrecht)

- ökonomisches Umfeld (z.B. gesamtwirtschaftliche Entwicklung, Wechselkurse, Inflation, neue Produkte/Märkte)

- ökologisches Umfeld (z.B. Klimawandel, Rohstoffverfügbarkeit, Recyclingkosten)

- technologisches Umfeld (z.B. Produktionsinnovationen, Informations- und Kommunikation)

- gesellschaftliches Umfeld (z.B. demografische Entwicklung, Bevölkerungsstruktur, Wertewandel, Arbeitsmentalität, Urbanisierung)

Zu dieser sog. globalen Umweltanalyse bzw. Analyse des allgemeinen Umfeldes kann die Analyse folgender Faktoren hinzukommen, wenn sie nicht bereits explizit in einer der o.g. Faktoren untersucht wurden:

- Branche (z.B. Anbieterzahl, Eintrittsbarrieren durch neue Konkurrenten)

- Markt (z.B. Beschaffungsmarkt, Absatzmarkt)

- Kunden (z.B. Segmentierung, Kundenwünsche)

- Konkurrenz (z.B. relative Stärken und Schwächen zu Wettbewerbern) (vgl., Thommen/Achleitner, 2012, Dillerup/Stoi, 2011, Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014).

Unternehmensanalyse Die Unternehmensanalyse (auch interne Analyse oder Analyse von internen Faktoren genannt) dient zur Ermittlung der Stärken und Schwächen eines Unternehmens und kann nach verschiedenen Kriterien strukturiert werden. Z.B. kann die Analyse ausgehend von Funkti-onsbereichen strukturiert werden (z.B. Produktion, Marketing, Personal, vgl. Thommen/Achleitner, 2012), nach Kompetenz, Ressourcen und Geschäftsmodell (vgl. Dillerup/Stoi, 2011) oder gemäß

- Geschäftsmodell

- Produktportfolio

- Wertschöpfungskette (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014).

In einem nachhaltigen Unternehmen müssen – im Sinne des Triple-Bottom-Line-Ansatzes – Nachhaltigkeitsaspekte in Umfeld- und Unternehmensanalysen eingebunden werden. Nur somit ist sichergestellt, dass Chancen und Risiken, die sich aus den relevanten Nachhaltigkeitsfeldern ergeben, erkannt werden können (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014). Umfeld- und Unternehmensanalyse können z.B. in einer SWOT-Analyse zusammengeführt werden (vgl. z.B. Dillerup/Stoi 2011).

Analyse der Stakeholder-Erwartungen

1. Um die Erwartungen der Anspruchsgruppen (Stakeholder) ermitteln zu können, ist zunächst die Bestimmung relevanter Anspruchsgruppen notwendig.

Relevante Anspruchsgruppen sind Gruppen oder Einzelpersonen, die entweder Einfluss haben können auf das Unternehmen und die Erreichung seiner Ziele. Oder aber sie werden durch die Aktivitäten des Unternehmens beeinflusst (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014).

Anspruchsgruppen können sein (vgl. Thommen/Achleitner, 2012):

- wirtschaftliche Anspruchsgruppen (z.B. Kunden, Zulieferer, Kapitalgeber, Wettbewerber)

- gesellschaftliche Anspruchsgruppen (z.B. Staat, Kommunen, Medien, Anwohner)

- Anwaltsgruppen des Ökosystems (z.B. Verbände, Nichtregierungsorganisationen, Umweltschutzgruppen)

- interne Anspruchsgruppen (z.B. Mitarbeiter, Unternehmensführung

– wobei Letzteres in seiner Rolle als Entscheidungsträger eines Unternehmens nicht Gegenstand der Stakeholder-Analyse ist). Grundsätzliche Aufgabe der Unternehmensführung ist es, die teilweise im Konflikt stehenden Interessen der Anspruchsgruppen in ein Gleichgewicht zu bringen. Wie gut dies der Unternehmensführung gelingt, beeinflusst maßgeblich den langfristigen Erfolg eines Unternehmens und somit seinen Erhalt (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014).

Die Interessen und bevorzugten Themenfelder der Anspruchsgruppen werden in der Praxis meist durch Befragungen und Workshops ermittelt – in den letzten Jahren auch vermehrt durch soziale Netzwerke. Darüber hinaus steht das Unternehmen nicht selten in regelmäßigem Kontakt mit einigen Vertretern seiner Anspruchsgruppen (z.B. durch Mitarbeit in Verbänden, Netzwerke, Verhandlungen mit Zulieferern) (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014).

2. In einem zweiten Schritt werden die besonders bedeutenden Interessen und Interessensgebiete der jeweiligen Anspruchsgruppen bestimmt und zusammengefasst (vgl. Stein-ke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014). Gemeinsam mit den Ergebnissen der Umfeld- und Unternehmensanalyse werden sie in eine sog. Wesentlichkeitsmatrix überführt.

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Wesentlichkeitsmatrix

Die Ergebnisse der Umfeld-, Unternehmens- und Stakeholder-Analysen werden in einer Matrix zusammengefasst. Eine der beiden Matrixdimensionen zeigt das Ergebnis der Umfeldanalyse und der internen Faktoren. Die andere Dimension stellt das Ergebnis der Analyse der Stakeholder-Erwartungen gegenüber. Auf diese Weise werden Nachhaltigkeitsthemen, die aus Unternehmenssicht bedeutsam sind, den relevanten Themen aus Sicht der Anspruchsgruppen gegenübergestellt (vgl. Steinke/Schulze/Berlin/Stehle/Georg, 2014). In der Praxis wird meist der Begriff der Materialitätsmatrix verwendet.

Neben einer statischen Gegenüberstellung der wesentlichen Themenfelder für Unternehmen und Anspruchsgruppen kann auch dynamisch, z.B. durch den Vergleich zum Vorjahr, die Veränderung in Themengebieten veranschaulicht werden (vgl. Wesentlichkeitsmatrix der MAN SE bzw. RWE).

Unternehmensbeispiele

Für Großunternehmen ist eine Nachhaltigkeitsberichtserstattung unerlässlich, nicht zuletzt wegen des großen öffentlichen Interesses. Die Mehrheit der deutschen Unternehmen informiert in separaten Berichten über ihre Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigkeit. Bestrebungen zur integrierten Berichterstattung (Integrated Reporting) hingegen versuchen, die Finanz- mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verknüpfen. Integrierte Berichterstattung wird bisher – nicht zuletzt wegen ihrer Komplexität und Notwendigkeit sehr individueller Lösungen – noch recht selten vollzogen.

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Literatur

Dillerup, R./ Stoi, R., Unternehmensführung, 3. Aufl., 2011. Global Reporting Initiative GRI, 2006, [1], 07.09.2014.

BASF, BASF Bericht 2013, [2], 07.09.2014.

Deutsche Bank, Dialog mit unseren Interessengruppen, [3], 07.09.2014. MAN SE, Wir sind verantwortlich – Corporate Responsibility Bericht, 2012, [4], 07.09.2014.

PriceWaterhouseCoopers, Die Qual der Wahl: Integrierte oder separate Berichterstattung über Nachhaltigkeit, [5], 07.09.2014.

Steinke, K.H./ Schulze, M./ Berlin, S./ Stehle, A./ Georg, J., Green Controlling, Leitfaden für die erfolgreiche Integration ökologischer Zielsetzungen in Unternehmensplanung und -steuerung, 2014.

Thommen, J.P./ Achleitner, A.-K., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre: Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht, 7. Aufl., 2012.

Ersteinstellender Autor

Mareike Hornung, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dipl.-Betriebswirtin (FH)