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Supply Chain Scorecard

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Von der generischen Scorecard zur Supply Chain Scorecard

Die Balanced_Scorecard ist der bekannteste Vertreter moderner Performance_Measurement-Konzepte. Nach den Protagonisten Kaplan und Norton umfasst die generische Scorecard die Perspektiven Finanzen, Kunden, interne Prozesse sowie Lernen und Entwickeln. Im Schwerpunkt richtet sich diese allgemeingültige Scorecard funktional aus. Mit Hilfe des Einsatzes geeigneter Kennzahlen erfolgt eine primär unternehmensinterne Bewertung der eingeleiteten Strategien.

Aus dem Blickwinkel einer Supply Chain heraus ist dieser Bezugsrahmen jedoch unvollständig. Ein modernes Management der Wertschöpfungskette wird möglichst um eine fünfte Perspektive erweitert: die Lieferantensicht (siehe auch Beschaffungscontrolling). Denn ohne die entsprechende Lieferantenanbindung erscheint ein zeitgemäßes Supply Chain Management kaum denkbar. Auch sollte die Messung der Erfolgswirksamkeit der eingeschlagenen Supply Chain Strategien über das Werkstor hinaus gehen. Somit finden sich in einer Supply Chain Scorecard, neben primär intern ausgerichteten Kennzahlen, auch unternehmensexterne Indikatoren (Netzwerkkennzahlen).

Vor der Erstellung der Scorecard sind zunächst die Vision und die Mission des Unternehmens festzulegen (vgl. Leitbild). Anschließend leiten sich die Supply Chain Strategien vorzugsweise aus Strategy Maps ab. Darunter sind „Strategische Schlachtpläne“ zu verstehen, welche insbesondere zur visuellen Aufdeckung kausaler Zusammenhänge dienen. Anschließend erfolgt die Operationalisierung der zuvor definierten strategischen Ziele über geeignete Supply Chain Kennzahlen. Pro Perspektive sollten dabei nicht mehr als vier oder fünf Indikatoren verwendet werden. Für jede Kennzahl sind anschließend Zielwerte vorzugeben und entsprechende Aktionen zu definieren. Im Folgenden werden die einzelnen Perspektiven der Supply Chain Scorecard näher beschrieben (vgl. Abbildung 1).


Finanzperspektive

Die Finanzsicht einer Supply Chain Scorecard ist quantitativ geprägt. In ihr bilden sich die Ursache-Wirkungs-Beziehungen aus den weiteren vier Dimensionen der Scorecard monetär ab. Folgende finanziellen Ziele und Kennzahlen bieten sich beispielsweise für die Ausgestaltung der Finanzdimension innerhalb einer Supply Chain Scorecard an:

• Supply Chain Kosten reduzieren: Die Supply Chain Kosten werden vorzugsweise in Relation des Umsatzes ermittelt, um das Kosten-Erfolgs-Verhältnis der Wertschöpfungsaktivitäten abzubilden. Mögliche Komponenten der Supply Chain Kosten sind: Order Management, Materialbeschaffung, Lagerbewirtschaftung und Sonstige (wie Finanzierungs- und IT-Kosten der Supply Chain).

• Weniger Bestände: Ein aussagekräftiger Indikator zur Bestandsbewertung ist die Lagerumschlagshäufigkeit (Turn Rate). Sie berechnet sich, innerhalb eines Betrachtungszeitraums, aus dem Verhältnis des Materialverbrauchs zum durchschnittlichen Lagerbestand.

• Frachtkosten senken: Die Frachtkosten sollten nicht nur absolut, sondern auch stets im Verhältnis zu den Umsätzen gemessen werden. Dadurch lassen sich aktuelle Abweichungen zu Planwerten häufig relativieren: Dazu sind Abweichungen zwischen aktuellen und geplanten (budgetierten) Frachtkosten zu messen und mit eben dieser verhältnismäßigen Entwicklung der Umsatzerlöse abzugleichen.

• Liquidität erhöhen: Eine mögliche Schnittstellenkennzahl ist der Cash-to-Cash-Cycle. Er berechnet sich aus der Addition der Days Sales Outstanding (Debitorentage) und der Days on Hand (Lagerreichweite), abzüglich der Days Payables Outstanding (Kreditorentage). Je kleiner die Zahl ist, desto besser das Ergebnis. Im Idealfall ist der Cash-to-Cash-Cycle negativ, dann gewährt der Lieferant dem Hersteller ein zinsloses Darlehen.


Kundenperspektive Diese Perspektive der Supply Chain Scorecard spiegelt die Sogwirkung des Kunden innerhalb der Wertschöpfungskette. Kunden können nicht nur ultimative Endverbraucher (Business-to-Customer) sein. Auch die Abwicklungen mit institutionellen Kunden (Business-to-Business) oder staatlichen Instanzen (Business-to-Administration) werden hier erfasst. Folgende Ziele einer Supply Chain können stellvertretend genannt werden.

• Hohe Absatzprognosegenauigkeit: Eine herausragende Kennzahl der Supply Chain ist die Forecast Accuracy. Sie bemisst die Abweichung zwischen den eingeplanten und den tatsächliche Bestellungen eines Kunden. Schlecht vorhersehbare Kundenbestellungen sind ein wahrer Fluch für das Back-Office (Logistik, Produktion). Sie können durch Total-Cost-of-Ownership-Analysen aufgedeckt werden und führen häufig zu hohen Beständen oder schmerzhaften Trouble-Shooting-Kosten (Sonderfahrten, Zusatzschichten).

• Zufriedene Kunden: Mit der Order-Fulfillment-Time (Gesamtzeit der Auftragsabwicklung) wird die Dauer aller notwendigen Arbeitsgänge gemessen, die bis zur kompletten Abwicklung eines Kundenauftrags notwendig sind. Mögliche Parameter sind Beschaffungszeit, Fertigungszeit, Lagerzeit, Verpackungszeit und Auslieferungszeit.


Prozessperspektive Supply Chain Prozesse sollen effizient, schnell, qualitativ hochwertig und möglichst agil ablaufen. Außerdem müssen sie robust sein, damit die Chargenrückverfolgung zu jeder Zeit möglich ist. Aber auch die Rahmenbedingungen von Supply Chain Prozessen verdienen bei der Zielableitung besondere Beachtung. Dementsprechend sind beispielsweise Arbeitsschutzbestimmungen und Umweltauflagen einzuhalten. Drei mögliche Prozessziele einer Supply Chain werden nachstehend beispielhaft beschrieben.

• Schnelle Prozesse: Geschwindigkeit ist ein wichtiges Ziel moderner Supply Chains. Mit der Durchlaufzeit wird die Zeitspanne vom Auftragseingang bis zur Warenauslieferung gemessen. Teilweise werden sich aber auch Erfolge in einer Supply Chain mit Hilfe bewusster Entschleunigung einstellen (Postponement-Strategien).

Prozesskosten senken: Niedrigere Prozesskostensätze (siehe Prozesskostenrechnung) lassen sich mit einer Forcierung der Arbeitsproduktivität erreichen. Eine derartige Stellschraube ist der Lagerkostensatz, welcher das Verhältnis der Ein- und der Auslagerungsvorgänge zur Vorratshöhe bewertet.

• Hohe Produktqualität: Traditionell wird die Produktqualität über Ausschuss- oder Nacharbeitsraten gemessen. In der Supply Chain dominiert das Poka-Joke-Prinzip. Es besagt, dass die Supply Chain Prozesse, auf Grund von Standardisierung, möglichst „narrensicher“ sein sollen (Ziel der „Null-Fehler-Produktion“).


Lieferantenperspektive Tendenziell beziehen die Hersteller ausgewählte Lieferanten zunehmend enger in ihre Prozessabläufe ein. Sie lagern mittlerweile eine Vielzahl von Tätigkeiten auf geeignete Lieferanten aus. Beispiele dafür bieten Vendor Managed Inventory (der Hersteller überlässt dem Lieferanten die Bestandshoheit) oder System Sourcing (dem Zulieferer wird die Entwicklungsverantwortung übertragen).

• Warenverfügbarkeit steigern: Der eingehende Lieferservicegrad bemisst die qualitative, die quantitative oder die zeitliche Güte der Anlieferungen (beispielsweise Lieferverzögerungen). Mit einer Verbesserung des Servicegrads kann der Hersteller die Rate an kostenintensiven Wareneingangskontrollen reduzieren.

• Transaktionskosten senken: Reibungsverluste an den Schnittstellen führen zur Aufblähung der Transaktionskosten. Zur besseren Abstimmung zwischen Herstellern und Lieferanten können beispielsweise Beziehungspromotoren („Brückenbauer“, welche über die Unternehmensgrenzen hinweg agieren) eingesetzt werden.

• Lieferanten systematisch entwickeln: Der „JIS-(Just-in-Sequence)-Index“ bemisst die Rate an fertigungssynchronen Anlieferungen in der richtigen Reihenfolge. Im Rahmen dieser Zielerreichung leisten möglicherweise Kanban-Systeme gute Dienste.


Potenzialperspektive Der Aufbau innovativer Netzwerkpartnerschaften wird schließlich durch zeitgemäße Potenziale ermöglicht. Den Mitarbeitern sind entsprechende Rahmenbedingungen an die Hand zu geben. Diese manifestieren sich beispielsweise in Equipment, Mitarbeiterentwicklung oder der Schaffung einer adäquaten Unternehmenskultur.

• Mehr Innovationen: Die Neuproduktrate deckt auf, ob sich eine Organisation auf ihren Cash Cows ausruht. Auch junge Produkte sollen ihren Umsatzbeitrag leisten. Diese Kennzahl stellt fest, wie viel Prozent des Umsatzes mit Produkten eingespielt werden, die sich noch nicht länger als ein Jahr auf dem Markt befinden (Ziel: ausgewogenes Produktportfolio).

• Kooperationspotenziale nutzen: Mit der Kennzahl „Squeeze-in-Time“ wird die Zeitspanne gemessen, die bis zur vollständigen Integration eines neuen Akteurs in eine Supply Chain verstreicht. Dabei ist im Vorfeld festzulegen, wann diese Einbindung eines neuen Partners als abgeschlossen angesehen werden kann.

• Continuous Improvement erreichen: Umgesetzte Verbesserungsvorschläge pro Mitarbeiter und Zeiteinheit können eingefordert werden, um die Ideenpotenziale der Menschen besser zu nutzen. Diese Anforderung leitet sich aus dem Kaizen Management ab.

SC Scorecard.jpg



Handlungsempfehlungen für das Controlling

Vor der Einführung einer Supply Chain Scorecard sollten zunächst einige grundlegende Fragen geklärt werden, wie: Organisatorische Rahmenbedingungen, Datenverfügbarkeit, Eignung der Kennzahlen (Interpretationsspielräume begrenzen) oder Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Erstellung der Scorecard. Die Implementierung der Supply Chain Scorecard übernimmt federführend das Controlling. In diesen Entstehungsprozess sollte das Fachwissen der Funktionsbereichsverantwortlichen konsequent einfließen (z. B. bei der Ableitung strategischer Ziele).

Um den Arbeitsaufwand nicht ausufern zu lassen, empfiehlt sich eine quartalsweise Zahlenaktualisierung innerhalb der Supply Chain Scorecard. Viele Kennzahlen lassen sich aus dem Datenbestand des Finanzsystems und weiterer Berichtsmodule ableiten. Problematisch könnte die Berechnung einiger Non-Financials sein. Dies gilt insbesondere für Kooperations- und Kommunikationsindikatoren, welche über die Unternehmensgrenzen hinweg zu bestimmen sind (wie JIS-Index oder Squeeze-in-Time).

Ein Problem interner Kennzahlenvergleiche besteht häufig in verdeckten oder offenen Widerständen seitens der betroffenen Mitarbeiter. Diese befürchten Sanktionen, wenn sie in einer solchen Gegenüberstellung schlecht abschneiden. Daher sollte das Controlling darauf hinweisen, dass es bei einer Leistungsmessung nicht um die Bestrafung einzelner Standorte geht, sondern vielmehr um die Aufdeckung von Verbesserungspotenzialen für das gesamte Unternehmen.



Literatur

Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart 1997.

Kaplan, R. S./Norton, D. P., Strategy Maps: Der Weg von immateriellen Werten zum materiellen Erfolg, Stuttgart 2004.

Richert, J. Performance Measurement in Supply Chains: Balanced Scorecard in Wertschöpfungsnetzwerken, Wiesbaden 2006.

Werner, H. Supply Chain Management: Grundlagen, Strategien, Instrumente und Controlling, 5. Aufl., Wiesbaden 2013.

Werner, H. Supply Chain Controlling: Grundlagen, Performance-Messung und Handlungsempfehlungen, Wiesbaden, 2014.



Ersteinstellende Autoren

Prof. Dr. Hartmut Werner [1]

B. A. Stephan Preuß