https://www.controlling-wiki.com/de/api.php?action=feedcontributions&user=87.178.85.190&feedformat=atomControllingWiki - Benutzerbeiträge [de-formal]2024-03-28T08:58:24ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.33.3https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Intangibles&diff=815Intangibles2010-02-15T12:03:38Z<p>87.178.85.190: /* Arten von Intangibles */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Intangibles sind immaterielle, d.h. nichtphysische Vermögenswerte, die einem Unternehmen für seine Wertschöpfungstätigkeit zur Verfügung stehen. Sie sind in der Lage nachhaltig Werte zu generieren und stellen letztlich einen Anspruch auf künftige Rückflüsse dar. Die oft hohe Differenz zwischen dem Markt- und dem Buchwert vieler Unternehmen lässt sich in den meisten Fällen auf die Existenz von Intagibles zurückführen. In unserer stark vom Wissen geprägten Gesellschaft gewinnen Intangibles an Bedeutung und rücken zunehmend in das Blickfeld des Controlling.<br />
<br />
<br />
== Intangibles - Begriffsabgrenzung ==<br />
<br />
<br />
In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur existieren zu Intangibles eine Vielzahl von Terminologien und Begrifflichkeiten. Dabei werden alternativ Begriffe wie ‚Immaterielle Vermögenswerte‘, ‚Intangible Assets‘ oder einfach nur ‚Intangibles‘ vorwiegend durch die rechnungswesenorientierte Literatur geprägt. In der Volkswirtschaftslehre wird hingegen von ‚Wissenskapital‘ oder ‚Knowledge Assets‘ gesprochen, während sich in der managementorientierten Literatur die Terminologie des ‚Intellectual Capital‘ verbreitet hat. Im Kontext rechtlich geschützter, intangibler Werte - beispielsweise Marken, Lizenzen oder Patente – finden zudem die Begriffe ‚Immaterielle Vermögensgegenstände‘ bzw. ‚Intellectual Property‘ Anwendung. Zu ihrer Erklärung werden Intangibles zumeist negativ von materiellen Werten abgegrenzt, indem sie als nicht monetäre Werte ohne physische Substanz beschrieben werden (zudem gelten Werte, die sich sowohl aus immateriellen als auch aus materiellen Komponenten zusammensetzen dann als immateriell bzw. intangibel, wenn die materielle Komponente nur eine untergeordnete Bedeutung hat, z.B. bei Datenträgern). Finanzielle Vermögenswerte, wie z. B. Geldforderungen, zeichnen sich zwar auch durch die fehlende körperliche Substanz aus, dennoch lassen sich diese durch das Kriterium „monetär“ abgrenzen, was sie wiederum in gewisser Weise ‚greifbar‘ erscheinen lässt. <br />
<br />
== Eigenschaften von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Im Gegensatz zu materiellen und monetären Vermögenswerten sind Intangibles zumeist nicht in der Lage, für sich alleinstehend Werte zu schaffen (sie besitzen i.d.R. keinen direkten Wert). Zur Wertschaffung müssen sie daher mit anderen Vermögensgegenwerten interagieren. Intangibles sind im Regelfall nicht konkurrierend, d.h. sie können zum selben Zeitpunkt in mehrfacher Weise Verwendung finden. Entsprechend haben sie, von der ursprünglichen Investition einmal abgesehen, keine bzw. geringe Opportunitätskosten. Aufgrund der gleichzeitigen bzw. mehrfachen Verwendbarkeit von Intangibles für verschiedene Zwecke ergibt sich durch ihre Nutzung i.d.R. keine Wertminderung und jedes zusätzlich verkaufte Produkt trägt nahezu in Höhe seines Verkaufserlöses zur Gewinnsteigerung bei. Im Regelfall handeln Unternehmen untereinander nicht mit ihren Intangibles, so dass deren Wert nicht in der gleichen Art und Weise bestimmt werden kann, wie dies bei den meisten physischen Vermögensgegenständen der Fall ist. Der tatsächliche Wert der Intangibles tritt daher häufig nur über den Marktwert des Unternehmens oder im Rahmen von Unternehmenskäufen zutage.<br />
<br />
<br />
<br />
== Arten von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Auf Grund ihrer hohen Komplexität konnte sich bis heute weder in Deutschland noch international eine einheitliche Definition einzelner Intangiles durchsetzen An die Stelle einer solchen Definition treten daher häufig Kategorisierungen, welche deren Eigenschaften näher zu beschreiben versuchen. Auch hier existiert eine Vielzahl von Kategorisierungen. Am weitesten verbreitet ist eine Aufgliederung von Intangibles in sieben Kategorien:<br />
<br />
<br />
''Customer Capital'': Intangibles im Absatzbereich, z.B. Marken, Kundenlisten, Marktanteile, Kundenzufriedenheit, Image<br />
<br />
''Human Capital'': Intangibles im Personalbereich, z.B. Mitarbeiterqualifikation, Mitarbeitermotivation, Mitarbeitercommitment und –bindung, Unternehmenskultur, Attraktivität des Unternehmensauf dem Arbeitsmarkt<br />
<br />
''Innovation Capital'': Intangibles im Bereich der Produkt-, Dienstleistungs- und Verfahrensinnovationen, z.B. Entwicklungsprozesse, Patente, Lizenzen, Gebrauchs- und Geschmacksmuster<br />
<br />
''Investor Capital'': Intangibles im Finanzbereich, die sich in günstigen Konditionen zur Kapitalbeschaffung niederschlagen, z.B. Aktionärsstruktur, Rankings, Vertrauen der Kapitalgeber, Bonität des Unternehmens<br />
<br />
''Location Capital'': Intangibles, die sich aus dem Standort des Unternehmens ergeben, z.B. Verkehrsanbindung, Nachbarschaft, rechtlicher Hintergrund, Steuervorteile<br />
<br />
''Process Capita''l: Intangibles im Organisationsbereich, z.B. Aufbau- und Ablauforganisation<br />
<br />
''Supplier Capital'': Intangibles im Beschaffungsbereich, z.B. Lieferantenverträge, Lieferantenlisten, Entwicklungskooperationen mit Zulieferern<br />
<br />
Innerhalb dieser Kategorien können jedoch durchaus Überschneidungen auftreten, so dass ein immaterieller Wert u.U. mehr als nur einer Kategorie zugeordnet werden kann.<br />
<br />
<br />
[[Bild:Klassifikation von Intangibles.JPG]]<br />
<br />
Abb. 1: Klassifikation von Intangibles<br />
<br />
== Wachsende Bedeutung von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Zwei fundamentale Veränderungen haben während der vergangenen zwei Jahrzehnte zu einer immensen Bedeutungszunahme von Intangibles geführt: Einerseits der verstärkte Wettbewerb, der aus Globalisierung und Deregulierung zentraler Wirtschaftssektoren (Energie, Telekommunikation etc.) resultiert. Zum Anderen das Aufkommen und die starke Verbreitung der Informationstechnologien, insbesondere des Internets. Diese ökonomisch, politisch und technisch bewirkten Veränderungen haben die organisationsinternen Strukturen verändert und Intangibles, zumindest in den entwickelten Volkswirtschaften, zu wichtigen Werttreibern unserer Zeit gemacht.<br />
<br />
<br />
<br />
== Intangibles im Controlling ==<br />
<br />
<br />
Im Rahmen des Performance Measurement wurden zur Steuerung von Intangibles zahlreiche, zum Großteil indikatorbasierte Steuerungskonzepte entwickelt. Folgende Ansätze sind am weitesten verbreitet, gehen aber (wie z.B. Balanced Scorecard) teilweise über die ausschließliche Steuerung von Intangibles hinaus: <br />
<br />
<br />
Balanced Scorecard <br />
<br />
<br />
Wissensbilanz<br />
<br />
<br />
Intellectual Asset Navigator<br />
<br />
<br />
Intangible Asset Monitor <br />
<br />
<br />
Skandia Navigator<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<br />
<br />
Edvinsson, L., Malone, M. S. (1997), Intellectual Capital – realizing your company`s true value by finding its hidden roots, Harper Business, New York <br />
<br />
Horváth, P., Möller, K. (Hrsg., 2004), Intangibles in der Unternehmenssteuerung, München 2004<br />
<br />
Kaplan, R. S. and Norton, D. P. (2004), Strategy maps: converting intangible assets into tangible outcomes, Harvard Business School Press, Boston<br />
<br />
Kaplan, R. S., Norton, D. P. (1998), Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart 1998<br />
<br />
Lev, B. (2001), Intangibles: Management, Measurement and Reporting, Washington 2001<br />
<br />
Stewart, T. A. (1999), Intellectual Capital – The New Wealth of Organizations, New York 1999 <br />
<br />
Sveiby, K. E. (1997), The New Organizational Wealth – managing and measuring knowledge-based assets, San Francisco 1997<br />
<br />
<br />
'''Stichworte für Verlinkungen'''<br />
<br />
<br />
[[Balanced Scorecard]]<br />
<br />
[[Human Capital]]<br />
<br />
[[Performance Measurement]]<br />
<br />
<br />
<br />
== Autoren ==<br />
<br />
<br />
M.Sc., Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) Ramin Gamerschlag<br />
<br />
Prof. Dr. Klaus Möller<br />
<br />
<br />
Kontaktadresse: '''Controlling@uni-goettingen.de'''<br />
<br />
<br />
Homepage: [http://www.controlling.uni-goettingen.de] - www.controlling.uni-goettingen.de</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Intangibles&diff=814Intangibles2010-02-15T12:03:17Z<p>87.178.85.190: /* Arten von Intangibles */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Intangibles sind immaterielle, d.h. nichtphysische Vermögenswerte, die einem Unternehmen für seine Wertschöpfungstätigkeit zur Verfügung stehen. Sie sind in der Lage nachhaltig Werte zu generieren und stellen letztlich einen Anspruch auf künftige Rückflüsse dar. Die oft hohe Differenz zwischen dem Markt- und dem Buchwert vieler Unternehmen lässt sich in den meisten Fällen auf die Existenz von Intagibles zurückführen. In unserer stark vom Wissen geprägten Gesellschaft gewinnen Intangibles an Bedeutung und rücken zunehmend in das Blickfeld des Controlling.<br />
<br />
<br />
== Intangibles - Begriffsabgrenzung ==<br />
<br />
<br />
In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur existieren zu Intangibles eine Vielzahl von Terminologien und Begrifflichkeiten. Dabei werden alternativ Begriffe wie ‚Immaterielle Vermögenswerte‘, ‚Intangible Assets‘ oder einfach nur ‚Intangibles‘ vorwiegend durch die rechnungswesenorientierte Literatur geprägt. In der Volkswirtschaftslehre wird hingegen von ‚Wissenskapital‘ oder ‚Knowledge Assets‘ gesprochen, während sich in der managementorientierten Literatur die Terminologie des ‚Intellectual Capital‘ verbreitet hat. Im Kontext rechtlich geschützter, intangibler Werte - beispielsweise Marken, Lizenzen oder Patente – finden zudem die Begriffe ‚Immaterielle Vermögensgegenstände‘ bzw. ‚Intellectual Property‘ Anwendung. Zu ihrer Erklärung werden Intangibles zumeist negativ von materiellen Werten abgegrenzt, indem sie als nicht monetäre Werte ohne physische Substanz beschrieben werden (zudem gelten Werte, die sich sowohl aus immateriellen als auch aus materiellen Komponenten zusammensetzen dann als immateriell bzw. intangibel, wenn die materielle Komponente nur eine untergeordnete Bedeutung hat, z.B. bei Datenträgern). Finanzielle Vermögenswerte, wie z. B. Geldforderungen, zeichnen sich zwar auch durch die fehlende körperliche Substanz aus, dennoch lassen sich diese durch das Kriterium „monetär“ abgrenzen, was sie wiederum in gewisser Weise ‚greifbar‘ erscheinen lässt. <br />
<br />
== Eigenschaften von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Im Gegensatz zu materiellen und monetären Vermögenswerten sind Intangibles zumeist nicht in der Lage, für sich alleinstehend Werte zu schaffen (sie besitzen i.d.R. keinen direkten Wert). Zur Wertschaffung müssen sie daher mit anderen Vermögensgegenwerten interagieren. Intangibles sind im Regelfall nicht konkurrierend, d.h. sie können zum selben Zeitpunkt in mehrfacher Weise Verwendung finden. Entsprechend haben sie, von der ursprünglichen Investition einmal abgesehen, keine bzw. geringe Opportunitätskosten. Aufgrund der gleichzeitigen bzw. mehrfachen Verwendbarkeit von Intangibles für verschiedene Zwecke ergibt sich durch ihre Nutzung i.d.R. keine Wertminderung und jedes zusätzlich verkaufte Produkt trägt nahezu in Höhe seines Verkaufserlöses zur Gewinnsteigerung bei. Im Regelfall handeln Unternehmen untereinander nicht mit ihren Intangibles, so dass deren Wert nicht in der gleichen Art und Weise bestimmt werden kann, wie dies bei den meisten physischen Vermögensgegenständen der Fall ist. Der tatsächliche Wert der Intangibles tritt daher häufig nur über den Marktwert des Unternehmens oder im Rahmen von Unternehmenskäufen zutage.<br />
<br />
<br />
<br />
== Arten von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Auf Grund ihrer hohen Komplexität konnte sich bis heute weder in Deutschland noch international eine einheitliche Definition einzelner Intangiles durchsetzen An die Stelle einer solchen Definition treten daher häufig Kategorisierungen, welche deren Eigenschaften näher zu beschreiben versuchen. Auch hier existiert eine Vielzahl von Kategorisierungen. Am weitesten verbreitet ist eine Aufgliederung von Intangibles in sieben Kategorien:<br />
<br />
<br />
''Customer Capital'': Intangibles im Absatzbereich, z.B. Marken, Kundenlisten, Marktanteile, Kundenzufriedenheit, Image<br />
<br />
''Human Capital'': Intangibles im Personalbereich, z.B. Mitarbeiterqualifikation, Mitarbeitermotivation, Mitarbeitercommitment und –bindung, Unternehmens-kultur, Attraktivität des Unternehmensauf dem Arbeitsmarkt<br />
<br />
''Innovation Capital'': Intangibles im Bereich der Produkt-, Dienstleistungs- und Verfahrensinnovationen, z.B. Entwicklungsprozesse, Patente, Lizenzen, Gebrauchs- und Geschmacksmuster<br />
<br />
''Investor Capital'': Intangibles im Finanzbereich, die sich in günstigen Konditionen zur Kapitalbeschaffung niederschlagen, z.B. Aktionärsstruktur, Rankings, Vertrauen der Kapitalgeber, Bonität des Unternehmens<br />
<br />
''Location Capital'': Intangibles, die sich aus dem Standort des Unternehmens ergeben, z.B. Verkehrsanbindung, Nachbarschaft, rechtlicher Hintergrund, Steuervorteile<br />
<br />
''Process Capita''l: Intangibles im Organisationsbereich, z.B. Aufbau- und Ablauforganisation<br />
<br />
''Supplier Capital'': Intangibles im Beschaffungsbereich, z.B. Lieferantenverträge, Lieferantenlisten, Entwicklungskooperationen mit Zulieferern<br />
<br />
Innerhalb dieser Kategorien können jedoch durchaus Überschneidungen auftreten, so dass ein immaterieller Wert u.U. mehr als nur einer Kategorie zugeordnet werden kann.<br />
<br />
<br />
[[Bild:Klassifikation von Intangibles.JPG]]<br />
<br />
Abb. 1: Klassifikation von Intangibles<br />
<br />
== Wachsende Bedeutung von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Zwei fundamentale Veränderungen haben während der vergangenen zwei Jahrzehnte zu einer immensen Bedeutungszunahme von Intangibles geführt: Einerseits der verstärkte Wettbewerb, der aus Globalisierung und Deregulierung zentraler Wirtschaftssektoren (Energie, Telekommunikation etc.) resultiert. Zum Anderen das Aufkommen und die starke Verbreitung der Informationstechnologien, insbesondere des Internets. Diese ökonomisch, politisch und technisch bewirkten Veränderungen haben die organisationsinternen Strukturen verändert und Intangibles, zumindest in den entwickelten Volkswirtschaften, zu wichtigen Werttreibern unserer Zeit gemacht.<br />
<br />
<br />
<br />
== Intangibles im Controlling ==<br />
<br />
<br />
Im Rahmen des Performance Measurement wurden zur Steuerung von Intangibles zahlreiche, zum Großteil indikatorbasierte Steuerungskonzepte entwickelt. Folgende Ansätze sind am weitesten verbreitet, gehen aber (wie z.B. Balanced Scorecard) teilweise über die ausschließliche Steuerung von Intangibles hinaus: <br />
<br />
<br />
Balanced Scorecard <br />
<br />
<br />
Wissensbilanz<br />
<br />
<br />
Intellectual Asset Navigator<br />
<br />
<br />
Intangible Asset Monitor <br />
<br />
<br />
Skandia Navigator<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<br />
<br />
Edvinsson, L., Malone, M. S. (1997), Intellectual Capital – realizing your company`s true value by finding its hidden roots, Harper Business, New York <br />
<br />
Horváth, P., Möller, K. (Hrsg., 2004), Intangibles in der Unternehmenssteuerung, München 2004<br />
<br />
Kaplan, R. S. and Norton, D. P. (2004), Strategy maps: converting intangible assets into tangible outcomes, Harvard Business School Press, Boston<br />
<br />
Kaplan, R. S., Norton, D. P. (1998), Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart 1998<br />
<br />
Lev, B. (2001), Intangibles: Management, Measurement and Reporting, Washington 2001<br />
<br />
Stewart, T. A. (1999), Intellectual Capital – The New Wealth of Organizations, New York 1999 <br />
<br />
Sveiby, K. E. (1997), The New Organizational Wealth – managing and measuring knowledge-based assets, San Francisco 1997<br />
<br />
<br />
'''Stichworte für Verlinkungen'''<br />
<br />
<br />
[[Balanced Scorecard]]<br />
<br />
[[Human Capital]]<br />
<br />
[[Performance Measurement]]<br />
<br />
<br />
<br />
== Autoren ==<br />
<br />
<br />
M.Sc., Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) Ramin Gamerschlag<br />
<br />
Prof. Dr. Klaus Möller<br />
<br />
<br />
Kontaktadresse: '''Controlling@uni-goettingen.de'''<br />
<br />
<br />
Homepage: [http://www.controlling.uni-goettingen.de] - www.controlling.uni-goettingen.de</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Intangibles&diff=813Intangibles2010-02-15T11:33:04Z<p>87.178.85.190: /* Intangibles - Begriffsabgrenzung */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Intangibles sind immaterielle, d.h. nichtphysische Vermögenswerte, die einem Unternehmen für seine Wertschöpfungstätigkeit zur Verfügung stehen. Sie sind in der Lage nachhaltig Werte zu generieren und stellen letztlich einen Anspruch auf künftige Rückflüsse dar. Die oft hohe Differenz zwischen dem Markt- und dem Buchwert vieler Unternehmen lässt sich in den meisten Fällen auf die Existenz von Intagibles zurückführen. In unserer stark vom Wissen geprägten Gesellschaft gewinnen Intangibles an Bedeutung und rücken zunehmend in das Blickfeld des Controlling.<br />
<br />
<br />
== Intangibles - Begriffsabgrenzung ==<br />
<br />
<br />
In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur existieren zu Intangibles eine Vielzahl von Terminologien und Begrifflichkeiten. Dabei werden alternativ Begriffe wie ‚Immaterielle Vermögenswerte‘, ‚Intangible Assets‘ oder einfach nur ‚Intangibles‘ vorwiegend durch die rechnungswesenorientierte Literatur geprägt. In der Volkswirtschaftslehre wird hingegen von ‚Wissenskapital‘ oder ‚Knowledge Assets‘ gesprochen, während sich in der managementorientierten Literatur die Terminologie des ‚Intellectual Capital‘ verbreitet hat. Im Kontext rechtlich geschützter, intangibler Werte - beispielsweise Marken, Lizenzen oder Patente – finden zudem die Begriffe ‚Immaterielle Vermögensgegenstände‘ bzw. ‚Intellectual Property‘ Anwendung. Zu ihrer Erklärung werden Intangibles zumeist negativ von materiellen Werten abgegrenzt, indem sie als nicht monetäre Werte ohne physische Substanz beschrieben werden (zudem gelten Werte, die sich sowohl aus immateriellen als auch aus materiellen Komponenten zusammensetzen dann als immateriell bzw. intangibel, wenn die materielle Komponente nur eine untergeordnete Bedeutung hat, z.B. bei Datenträgern). Finanzielle Vermögenswerte, wie z. B. Geldforderungen, zeichnen sich zwar auch durch die fehlende körperliche Substanz aus, dennoch lassen sich diese durch das Kriterium „monetär“ abgrenzen, was sie wiederum in gewisser Weise ‚greifbar‘ erscheinen lässt. <br />
<br />
== Eigenschaften von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Im Gegensatz zu materiellen und monetären Vermögenswerten sind Intangibles zumeist nicht in der Lage, für sich alleinstehend Werte zu schaffen (sie besitzen i.d.R. keinen direkten Wert). Zur Wertschaffung müssen sie daher mit anderen Vermögensgegenwerten interagieren. Intangibles sind im Regelfall nicht konkurrierend, d.h. sie können zum selben Zeitpunkt in mehrfacher Weise Verwendung finden. Entsprechend haben sie, von der ursprünglichen Investition einmal abgesehen, keine bzw. geringe Opportunitätskosten. Aufgrund der gleichzeitigen bzw. mehrfachen Verwendbarkeit von Intangibles für verschiedene Zwecke ergibt sich durch ihre Nutzung i.d.R. keine Wertminderung und jedes zusätzlich verkaufte Produkt trägt nahezu in Höhe seines Verkaufserlöses zur Gewinnsteigerung bei. Im Regelfall handeln Unternehmen untereinander nicht mit ihren Intangibles, so dass deren Wert nicht in der gleichen Art und Weise bestimmt werden kann, wie dies bei den meisten physischen Vermögensgegenständen der Fall ist. Der tatsächliche Wert der Intangibles tritt daher häufig nur über den Marktwert des Unternehmens oder im Rahmen von Unternehmenskäufen zutage.<br />
<br />
<br />
<br />
== Arten von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Auf Grund ihrer hohen Komplexität konnte sich bis heute weder in Deutschland noch international eine einheitliche Definition einzelner Intangiles durchsetzen An die Stelle einer solchen Definition treten daher häufig Kategorisierungen, welche deren Eigenschaften näher zu beschreiben versuchen. Auch hier existiert eine Vielzahl von Kategorisierungen. Am weitesten verbreitet ist eine Aufgliederung von Intangibles in sieben Kategorien:<br />
<br />
<br />
''Customer Capital'': Intangibles im Absatzbereich, z.B. Marken, Kundenlisten, Marktanteile, Kundenzufriedenheit, Image<br />
<br />
''Human Capital'': Intangibles im Personalbereich, z.B. Mitarbeiterqualifikation, Mitarbeitermotivation, Mitarbeitercommitment und –bindung, Unternehmens-kultur, Attraktivität des Unternehmensauf dem Arbeitsmarkt<br />
<br />
''Innovation Capital'': Intangibles im Bereich der Produkt-, Dienstleistungs- und Verfahrensinnovationen, z.B. Entwicklungsprozesse, Patente, Lizenzen, Gebrauchs- und Geschmacksmuster<br />
<br />
''Investor Capital'': Intangibles im Finanzbereich, die sich in günstigen Konditionen zur Kapitalbeschaffung niederschlagen, z.B. Aktionärsstruktur, Rankings, Vertrauen der Kapitalgeber, Bonität des Unternehmens<br />
<br />
''Location Capital'': Intangibles, die sich aus dem Standort des Unternehmens ergeben, z.B. Verkehrsanbindung, Nachbarschaft, rechtlicher Hintergrund, Steuervorteile<br />
<br />
''Process Capita''l: Intangibles im Organisationsbereich, z.B. Aufbau- und Ablauforganisation<br />
<br />
''Supplier Capital'': Intangibles im Beschaffungsbereich, z.B. Lieferantenverträge, Lieferantenlisten, Entwicklungskooperationen mit Zulieferern<br />
<br />
Innerhalb dieser Kategorien können jedoch durchaus Überschneidungen auftreten, so dass ein immaterieller Wert u.U. mehr als nur einer Kategorie zugeordnet werden kann.<br />
<br />
<br />
[[Bild:Klassifikation von Intangibles.JPG]]<br />
<br />
Abb. 1: Klassifikation_von_Intangibles<br />
<br />
<br />
<br />
== Wachsende Bedeutung von Intangibles ==<br />
<br />
<br />
Zwei fundamentale Veränderungen haben während der vergangenen zwei Jahrzehnte zu einer immensen Bedeutungszunahme von Intangibles geführt: Einerseits der verstärkte Wettbewerb, der aus Globalisierung und Deregulierung zentraler Wirtschaftssektoren (Energie, Telekommunikation etc.) resultiert. Zum Anderen das Aufkommen und die starke Verbreitung der Informationstechnologien, insbesondere des Internets. Diese ökonomisch, politisch und technisch bewirkten Veränderungen haben die organisationsinternen Strukturen verändert und Intangibles, zumindest in den entwickelten Volkswirtschaften, zu wichtigen Werttreibern unserer Zeit gemacht.<br />
<br />
<br />
<br />
== Intangibles im Controlling ==<br />
<br />
<br />
Im Rahmen des Performance Measurement wurden zur Steuerung von Intangibles zahlreiche, zum Großteil indikatorbasierte Steuerungskonzepte entwickelt. Folgende Ansätze sind am weitesten verbreitet, gehen aber (wie z.B. Balanced Scorecard) teilweise über die ausschließliche Steuerung von Intangibles hinaus: <br />
<br />
<br />
Balanced Scorecard <br />
<br />
<br />
Wissensbilanz<br />
<br />
<br />
Intellectual Asset Navigator<br />
<br />
<br />
Intangible Asset Monitor <br />
<br />
<br />
Skandia Navigator<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<br />
<br />
Edvinsson, L., Malone, M. S. (1997), Intellectual Capital – realizing your company`s true value by finding its hidden roots, Harper Business, New York <br />
<br />
Horváth, P., Möller, K. (Hrsg., 2004), Intangibles in der Unternehmenssteuerung, München 2004<br />
<br />
Kaplan, R. S. and Norton, D. P. (2004), Strategy maps: converting intangible assets into tangible outcomes, Harvard Business School Press, Boston<br />
<br />
Kaplan, R. S., Norton, D. P. (1998), Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart 1998<br />
<br />
Lev, B. (2001), Intangibles: Management, Measurement and Reporting, Washington 2001<br />
<br />
Stewart, T. A. (1999), Intellectual Capital – The New Wealth of Organizations, New York 1999 <br />
<br />
Sveiby, K. E. (1997), The New Organizational Wealth – managing and measuring knowledge-based assets, San Francisco 1997<br />
<br />
<br />
'''Stichworte für Verlinkungen'''<br />
<br />
<br />
[[Balanced Scorecard]]<br />
<br />
[[Human Capital]]<br />
<br />
[[Performance Measurement]]<br />
<br />
<br />
<br />
== Autoren ==<br />
<br />
<br />
M.Sc., Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) Ramin Gamerschlag<br />
<br />
Prof. Dr. Klaus Möller<br />
<br />
<br />
Kontaktadresse: '''Controlling@uni-goettingen.de'''<br />
<br />
<br />
Homepage: [http://www.controlling.uni-goettingen.de] - www.controlling.uni-goettingen.de</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Human_Capital&diff=812Human Capital2010-02-15T11:22:27Z<p>87.178.85.190: /* Human Capital – Begriffsabgrenzung und -definition */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Human Capital bezeichnet die Qualifikation der Mitarbeiter eines Unternehmens sowie deren Motivation, von diesem Wissen in Hinblick auf die Unternehmensziele Gebrauch zu machen. Es kann also als das Leistungspotenzial verstanden werden, das von den Mitarbeitern und damit den Potentialträgern bereitgestellt wird. Das Human Capital gehört zu den sog. ‚Intangibles‘, also zu den einem Unternehmen für seine Wertschöpfungstätigkeit zur Verfügung stehenden immateriellen Vermögenswerten. Aufgrund der Entwicklung zur Wissensgesellschaft kommt dem Human Capital eine steigende Bedeutung für den Unternehmenserfolg zu. Vor dem Hintergrund einer optimalen Ressourcensteuerung rückt es deshalb im Rahmen des Performance Measurement zunehmend in das Blickfeld des strategischen Controllings (Resource-Based-View).<br />
<br />
== Human Capital – Begriffsabgrenzung und -definition ==<br />
<br />
<br />
Der Begriff des ‚''Human Capital''‘ setzt sich aus den Bestandteilen „''Human''“ und „''Capital''“ zusammen, wodurch der Bezug zum Menschen zum Ausdruck kommt. Andererseits deutet der Begriff auf das in den Menschen gebundene (''Human-'') Kapital hin. Dadurch besitzt der Begriff zusätzlich eine Wertkomponente, indem den Mitarbeitern ein ihnen inhärenter Wert zugesprochen wird, der von der weit verbreiteten Meinung, den Mitarbeiter als Kostenfaktor zu sehen, abweicht.<br />
<br />
Human Capital umfasst das Wissen, die Qualifikation bzw. Kompetenz der Mitarbeiter eines Unternehmens sowie deren Motivation resp. Bereitschaft, dieses Wissen im Rahmen ihrer Tätigkeit einzusetzen. Es umfasst alle individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter, also alle menschlichen Ressourcen eines Unternehmens, die diesem für seine Wertschöpfungstätigkeit zur Verfügung stehen. Der Begriff schließt sowohl den zielführenden Einsatz dieses Wissens als auch dessen Weitergabe innerhalb der Organisation mit ein. Neben der Mitarbeiterqualifikation und -motivation können zusätzlich Mitarbeitercommitment und –bindung, die Unternehmenskultur sowie die Attraktivität des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt als weitere Bestandteile des Human Capital betrachtet werden. <br />
<br />
<br />
[[Bild: Bestandteile_des_Human_Capital.JPG]]<br />
<br />
Abb. 1: Bestandteile des Human Capital<br />
<br />
<br />
Eine breitere Sichtweise schließt zusätzlich Prozesse, Strukturen und Systeme des Unternehmens mit in die Begriffsdefinition des Human Capital ein. Dieses ganzheitliche Verständnis soll dem Bewusstsein gerecht werden, dass Prozesse, Strukturen und Systeme einer Organisation die Basis für die Entwicklung und Entfaltung von Human Capital bilden. Erst die Kombination aus leistungsbereiten und leistungsfähigen Mitarbeitern sowie wissensbasierten Prozessen und wissensförderlichen Strukturen können demnach eine optimale Entwicklung und den zielführenden Einsatz von Human Capital sicherstellen.<br />
<br />
<br />
[[Bild:Bestandteile_des_Human_Capital_aus_einer_breiteren_Sichtweise.JPG]]<br />
<br />
Abb. 2: Bestandteile des Human Capital aus einer breiteren Sichtweise<br />
<br />
== Wachsende Bedeutung des Human Capital ==<br />
<br />
<br />
Aufgrund der Tatsache, dass das Human Capital eines Unternehmens an dessen Mitarbeiter gebunden ist, ist es von dessen Wettbewerbern nur äußerst schwer zu kopieren. Dadurch stellt das Human Capital eine zentrale Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile dar. Vor dem Hintergrund des Resource-Based-View wird Human Capital somit oft als eine der wichtigsten Unternehmensressourcen genannt. Die steigende Bedeutung des Human Capital für den Unternehmenserfolg begründet sich dabei primär durch zwei zentrale Entwicklungen:<br />
<br />
<br />
1. Bei der Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile kommt es verstärkt auf den Aufbau, Ausbau und den Erhalt sog. Kernkompetenzen an, wofür das Human Capital einen wichtigen Inputfaktor darstellt. Diese Kernkompetenzen stehen in direktem Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit des Unternehmens.<br />
<br />
<br />
2. Zusätzlich führen der verstärkte Wettbewerb auf weltweiter Ebene sowie eine zunehmende Vergleichbarkeit der bereitgestellten Produkte zu einer Nachfrage nach ständiger Innovation. Dadurch sind die Anforderungen an das Human Capital als zentralem Treiber hinter der Innovationsfähigkeit von Unternehmen gestiegen. <br />
<br />
<br />
[[Bild:Zunehmende_Bedeutung_des_Human_Capital.JPG]]<br />
<br />
Abb. 3: Zunehmende Bedeutung des Human Capital<br />
<br />
== Human Capital im Controlling ==<br />
<br />
<br />
In den vergangenen Jahren wurden in Forschung und Unternehmenspraxis zahlreiche Ansätze entwickelt, mit denen das Human Capital von Organisationen im Rahmen des Performance Measurement einer aktiven Steuerung zugänglich gemacht werden kann. Diese Ansätze unterscheiden sich z.T. grundlegend, entstammen im Grundsatz jedoch fünf unterschiedlichen Denkrichtungen: Den Marktwertorientierten sowie den Accountingorientierten Ansätzen, den Indikatorbasierten Ansätzen, den Value Added- und den Ertragsorientierten Ansätzen. Nicht alle dieser Ansätze wurden explizit vor dem Hintergrund einer Steuerung von Human Capital entwickelt, haben sich jedoch als in gewissem Umfang dafür geeignet erwiesen.<br />
<br />
<br />
[[Bild:Ansätze_zur_Steuerung_von_Human_Capital.JPG]]<br />
<br />
Abb. 4: Ansätze zur Steuerung von Human Capital<br />
<br />
<br />
Bekannte Controlling-Ansätze zur Steuerung von Human Capital:<br />
<br />
<br />
Balanced Scorecard<br />
<br />
Human Capital Market Value<br />
<br />
Human Capital Return on Investment<br />
<br />
Human Resource Accounting<br />
<br />
Saarbrücker Formel<br />
<br />
Wissensbilanz<br />
<br />
<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<br />
<br />
Becker, M. (2008), Messung und Bewertung von Humanressourcen, Stuttgart 2008<br />
<br />
Fitz-enz, J. (2000), The ROI of Human Capital. Measuring the Economic Value of Employee Performance, New York 2000<br />
<br />
Horváth, P., Möller, K. (Hrsg., 2004), Intangibles in der Unternehmenssteuerung, München 2004 <br />
<br />
Human Capital Club (2008), Informationsbroschüre des Human Capital Club e.V., http://www.humancapitalclub.de <br />
<br />
Lev, B. (2001), Intangibles: Management, Measurement and Reporting, Washington 2001<br />
<br />
Scholz, C., Stein, V., Bechtel, R. (2006), Human Capital Management – Wege aus der Unverbindlichkeit, 2. Auflage, München 2006<br />
<br />
<br />
'''Stichworte für Verlinkungen'''<br />
<br />
<br />
[[Intangibles]]<br />
<br />
[[Balanced Scorecard]]<br />
<br />
[[Performance Measurement]]<br />
<br />
[[Resource-Based-View]]<br />
<br />
[[Saarbrücker Formel]]<br />
<br />
<br />
<br />
== Autoren ==<br />
<br />
<br />
M.Sc., Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) Ramin Gamerschlag<br />
<br />
Prof. Dr. Klaus Möller<br />
<br />
<br />
<br />
Kontaktadresse: '''Controlling@uni-goettingen.de'''<br />
<br />
<br />
Homepage: [http://www.controlling.uni-goettingen.de] - www.controlling.uni-goettingen.de</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Beschaffungscontrolling&diff=811Beschaffungscontrolling2010-02-15T11:09:52Z<p>87.178.85.190: /* Aufgaben des Beschaffungscontrollings */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Die Beschaffung verändert sich von einer ''Preisoptimierungsfunktion'' zu einer ''Gewinnbeschaffungs- und Know-how-Transferfunktion''. Beschaffungscontrolling soll die verantwortlichen Entscheider im Unternehmen bei der Nutzung dieser Potenziale unterstützen. Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das über einen Controllingkreislauf (Planung, Kontrolle, Information) eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglicht. Es umfasst fünf Handlungsfelder: Material- und Güterflüsse, Lieferanten, Beschaffungsprogramm, Zahlungsströme und Beschaffungsbereich <br />
<br />
<br />
<br />
== Die Beschaffung – ein Überblick ==<br />
<br />
<br />
Die Beschaffung hat sich zu einer strategisch relevanten ''Gewinnbeschaffungs-'' und ''Know-how-Transferfunktion'' mit großem Einfluss auf das Unternehmensergebnis entwickelt. Bei einer synonymen Verwendung von beschaffungsrelevanten Begriffen kann es für die Darstellung der Konzeption des Beschaffungscontrollings zu Missverständnissen und Unklarheiten kommen, weshalb ausgesuchte beschaffungsrelevante Termini unter Bezugnahme auf das SCOR-Modell des ''Supply Chain Council'' voneinander abgegrenzt werden. <br />
<br />
<br />
[[Bild:Abgrenzung.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 1: Abgrenzung beschaffungsrelevanter Begriffe anhand des SCOR-Modells (''Tschandl/Schentler 2008'')<br />
<br />
<br />
Unter ''Einkauf'' werden die operativen, abwickelnden Tätigkeiten zur Versorgung der Unternehmen mit den notwendigen Rohstoffen, Betriebs- und Hilfsmitteln, Anlagen und Dienstleistungen verstanden, also beispielsweise Angebotsvergleich, Preisverhandlungen oder Bestellung (vgl. Abbildung 1; der Einkauf deckt im Konzept des Supply Chain Council – Plan, Source, Make, Deliver, Return – den Bereich „Source“ ab). Der Begriff ''Beschaffung'' beinhaltet neben den operativen auch strategische einkaufsrelevante Tätigkeiten und hier vor allem die Sicherstellung der Versorgung. Die ''Materialwirtschaft'' berücksichtigt darüber hinausgehend den Prozess bis zur Bereitstellung an die Bedarfsträger im Unternehmen. Dazu zählt auch die (Zwischen-)Lagerung vor dem (nächsten) Produktionsschritt und die Produktionslogistik, nicht jedoch vertriebs- und entsorgungsbezogene Aspekte, die im weiter gefassten Konzept des ''Supply Managements'' – also sämtliche ''betriebliche'' Stoffstrom-, Produkt- und Dienstleistungsprozesse von den Lieferanten und an die Kunden (Transfer und Transaktion) – inkludiert sind. ''Supply Chain Management'' ist die Verbindung von Supply-Management-Systemen, also die Interaktion mit Kunden und Lieferanten entlang der gesamten Wertschöpfungskette von den Urproduzenten bis zu den Endverbrauchern, und kann auch mit Logistik im weiteren Sinn gleichgesetzt werden.<br />
<br />
== Konzeption des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die Verantwortung für die Erreichung notwendiger und/oder angepeilter Gewinnziele trägt die Unternehmensführung. Sie wird von der Funktion ''Controlling'' bei den Managementaufgaben – für Ziele sorgen, entscheiden, Ressourcen organisieren, kontrollieren und Mitarbeiter entwickeln – unterstützt und begleitet. Als zentralen Nutzen ermöglicht Controlling durch die zeitliche Unterteilung von Zielen (Planung), deren systematische Kontrolle und der Analyse von Abweichungen eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination eines Unternehmens (Unternehmens-/Finanzcontrolling) oder einzelner Teile und Funktionen („Bindestrich“-Controlling). Demnach soll ''Beschaffungscontrolling'' als ''eine'' Art der Bindestrich-Controllingarten – mit Bezug auf die Bedeutung der Beschaffung sowie mit Hilfe beschaffungsrelevanter Zielsetzungen, Strategien und Instrumente – die Beschaffungsverantwortlichen unterstützen, ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Durch die institutionalisierte Planung, Kontrolle und Informationsversorgung werden Effektivität und Effizienz in der Beschaffung erreicht, indem sowohl Kosten- und Nutzenpotenziale als auch Chancen und Risiken frühzeitig erkannt und in weiterer Folge aktiv gesteuert werden können.<br />
<br />
''Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das über einen Controllingkreislauf (Planung, Kontrolle, Information) eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglicht. Zusätzliche beratende Unterstützung der Beschaffungsführung soll rationale Entscheidungen sicherstellen und so die Reaktions- und Adaptionsfähigkeit erhöhen. Es stellt damit einen funktionsspezifisch ausgerichteten Bestandteil eines unternehmensweiten Controllings dar.''<br />
<br />
<br />
Eine ''Controllingkonzeption'' für die Beschaffung richtet sich an den Bedürfnissen der Beschaffungsführung aus, indem es (betriebswirtschaftlichen) Service und Entscheidungsunterstützung bietet, und so die effiziente und effektive Gestaltung der Versorgung eines Unternehmens sichert(siehe Abbildung 2).<br />
<br />
<br />
[[Bild:Konzeption des Beschaffungscontrollings.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 2: Konzeption des Beschaffungscontrollings (''Tschandl/Schentler 2008'')<br />
<br />
== Ziele des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die auf die spezifischen Anforderungen ausgerichteten Ziele des Controllings spiegeln sich in den direkten und die Ziele der Beschaffung in den indirekten Beschaffungscontrollingzielen wider.<br />
<br />
Die ''direkten Ziele'' umfassen die Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit der Führung, damit diese in der Lage ist, die Unternehmensziele zu realisieren.<br />
<br />
Die ''indirekten Ziele'' stellen den erwünschten Zustand – in diesem Fall die Beschaffungsziele – dar, dessen Erreichung das Controlling herbeiführen soll:<br />
<br />
<br />
''Beschaffungskosten senken'': Die Beschaffungskosten umfassen Beschaffungsobjekt-, Beschaffungsprozess- und sonstige beschaffungsbezogene Kosten.<br />
<br />
''Beschaffungsqualität erhöhen'': Die Beschaffungsqualität stellt die Deckungsgleichheit zwischen geforderten und erhaltenen Anforderungen dar und umfasst Aspekte wie das Produkt selbst, Lieferort und Liefer-service. Die Qualität umfasst Leistungskonstanz (weniger Schwankungen) und/oder Leistungssteigerungen (bessere Leistungen).<br />
<br />
''Beschaffungszeit senken'': Die Beschaffungszeit stellt den Zeitraum dar, der für die Wiederbeschaffung benötigt wird.<br />
<br />
''Beschaffungsrisiko senken'': Beschaffungsrisiken entstehen durch die Abweichung der tatsächlichen von den geplanten Ereignissen in den Beschaffungsmärkten als auch im Beschaffungsbereich. Bei diesem Ziel geht es um die Reduktion von Risiken durch Risikostreuung und Störungsvermeidung.<br />
<br />
''Beschaffungsflexibilität erhöhen'': Die Beschaffungsflexibilität drückt den Handlungsspielraum eines Unternehmens im Hinblick auf ungeplante bzw. unplanbare Abweichungen aus, umfasst also Leistungs-, Mengen-, Zeit- und Ortsflexibilität. <br />
<br />
''Beschaffungsautonomie optimieren'': Die Autonomie bezieht sich auf die Abhängigkeit eines Unternehmens von seinen Zulieferern. Entsprechend den Anforderungen und Möglichkeiten der Beschaffungsobjekte ist eine zielgerichtete Steuerung notwendig.<br />
<br />
''Gemeinwohlorientierte Beschaffungsziele verfolgen'': Bei diesen Zielen stehen nicht die eigenen Interessen im Vordergrund, sondern das übergeordnete Wohl. Beispiele sind soziale oder ökologische Ziele.<br />
<br />
== Aufgaben des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Im '''Handlungsfeld Material- und Güterflüsse''' liegt das Hauptaugenmerk auf der Optimierung der Preise und Bestände bei gleichzeitiger Sicherstellung der Lieferbereitschaft, Lieferflexibilität, Materialqualität und Preisstabilität. Bei ''der strategischen Beschaffungsplanung und -kontrolle'' steht die Festlegung des strategischen Beschaffungsprogramms, also der Gesamtheit der art-, mengen-, termin- und qualitätsmäßig spezifizierten Beschaffungsobjekte, die zur Fertigung des strategischen Absatzprogramms eingesetzt werden sollen, im Vordergrund. Entsprechend den Unternehmens- und Bereichsstrategien sind die wichtigsten unternehmensinternen und -externen Einflussgrößen des strategischen Bedarfes sowie deren zukünftige Entwicklung zu erfassen und zu analysieren. Darauf aufbauend werden geeignete Beschaffungsstrategien – unter Berücksichtigung der Beschaffungsziele und interner und externer Rahmenbedingungen – ausgewählt. Die ''operative Beschaffungsplanung und -kontrolle'' baut auf einem durch das Produktions- und Absatzprogramm sowie durch die vorhandene Ausstattung des Produktionsbereiches bereits weitgehend art-, mengen- und qualitätsmäßig determinierten Materialbedarf auf. Es gilt die Bedarfe abzuleiten und zu planen, welche Beschaffungsobjekte in welcher Qualität zu welchen Terminen zu beschaffen sind. Der ''Steuerung der Bestände im Beschaffungsbereich'' kommt die Aufgabe der ergebniszielorientierten Gestaltung der Lagerbestände zu.<br />
<br />
Das zweite '''Handlungsfeld''' umfasst die '''Lieferanten'''. Das Controlling unterstützt das Management bei der ergebniszielorientierten Koordination der zwischenbetrieblichen Beziehungen. Es muss „''Konzepte und Instrumente für eine effektive Koordination der Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und seinen Lieferanten ein- und umsetzen''.“ (''Wagner/Weber 2007'') Dabei stehen folgende Aufgaben im Mittelpunkt:<br />
<br />
die ''Planung und Kontrolle der Lieferantenstrategien'',<br />
<br />
die ''Lieferantenauswahl und -beurteilung'', inklusive der Messung der Performance der Zusammenarbeit mit den Lieferanten, und<br />
<br />
die ''Steuerung der Geschäftsbeziehung'' (Kooperationscontrolling).<br />
<br />
<br />
Das '''Handlungsfeld Beschaffungsprogramm''' umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle der zugekauften Materialien und Güter:<br />
<br />
<br />
Entscheidungen hinsichtlich der ''Festlegung der optimalen Fertigungstiefe'' (Make-or-Buy) müssen unterstützt werden, was auch den Umfang der zu beschaffenden Objekte beeinflusst. Ein Teil dieser Aufgabe ist das Ausfindigmachen von Potenzialen für In- und Outsourcing, indem die Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens den Angeboten auf dem Beschaffungsmarkt gegenübergestellt werden.<br />
<br />
Das Beschaffungscontrolling muss eine ''Steuerung der Beschaffungsobjektstruktur'' ermöglichen, indem Kosten und Nutzen der Beschaffungsobjekte transparent gemacht werden. Zusätzlich können durch eine gezielte Sortimentsgestaltung in der Beschaffung auch Vorteile durch die Mehrfachverwendung von Teilen und Materialien erkannt und realisiert werden.<br />
<br />
Ein weiteres Aufgabenfeld liegt im ''Aufzeigen potenzieller horizontaler Verbundeffekte'' und deren Auswirkung auf die Beschaffungsziele. Durch die Bündelung von Bedarfen innerhalb des Unternehmens und/oder über die Unternehmensgrenzen hinweg kann es zu Verbesserungen kommen.<br />
<br />
<br />
Das Management der Zahlungen zwischen dem Unternehmen und dessen Lieferanten trägt mitunter signifikant zum Unternehmensgewinn bei. Das '''Handlungsfeld Zahlungsströme''' soll deren Planung, ''Steuerung und Kontrolle'' sicherstellen. Dieses Handlungsfeld liegt an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen. Für die Vereinbarung der Zahlungsziele und die Vertragsgestaltung ist die Beschaffung verantwortlich, für die Bezahlung und das Ausnutzen der Skonti das Rechnungswesen. Schon bei der Vertragsgestaltung ist eine zielgerichtete Koordination notwendig, um das Spannungsfeld zwischen ausreichender Liquidität und hoher Rendite ausgleichen zu können. Auch dem Working Capital Tracking kommt eine große Bedeutung zu. Im Sinne einer liquiditätsorientierten Finanzplanung sind die voraussichtlichen Zahlungstermine zu budgetieren, damit – vonseiten der Finanzabteilung – die erforderlichen liquiden Mittel bereitgestellt werden können. Erfolgt eine solche Planung nicht, kann es zu höheren Kosten für kurzfristige Kredite, entgangenen Skonti, Liquiditätsschwierigkeiten und Imageverlusten bei Lieferanten kommen.<br />
Das Handlungsfeld Beschaffungsbereich fokussiert auf die Steuerung der Organisationseinheit Beschaffung. Die erste Aufgabe umfasst die ''Steuerung der Beschaffungsaktivitäten''. Aus strategischer Sicht geht es um die Frage, welche zukünftigen Aktivitäten für das Unternehmen eine Chance beinhalten, dauerhaft den Beitrag der Beschaffung zum Ergebnis zu steigern. Das umfasst folgende Aufgaben:<br />
<br />
<br />
Initiierung des strategischen Leitbildes der Beschaffung,<br />
<br />
Erstellung einer Stärken-Schwächen-Analyse der Beschaffungspotenziale,<br />
<br />
Entwicklung strategischer Beschaffungsziele,<br />
<br />
Institutionalisierung des strategischen Soll-Ist-Vergleiches und<br />
<br />
Vorbereitung von Steuerungsmaßnahmen für Zielabweichungen.<br />
<br />
<br />
Operativ steht die Steuerung des Inputfaktoreneinsatzes der in der Beschaffung durchgeführten Tätigkeiten im Vordergrund. Zusätzlich muss das Verhältnis der strategischen und operativen Tätigkeiten in der Beschaffung ausbalanciert werden.<br />
<br />
Bei der ''Performance-Messung des Beschaffungsbereiches'' ist zu beurteilen, welche Leistung bzw. welcher Ergebnisbeitrag und welche Kosten von der Beschaffungsabteilung verursacht werden. Bereichseffizienz (Kosten der Beschaffungsaktivitäten) und Beschaffungserfolg (Nutzen der Beschaffung) sind gegenüberzustellen, um eine ergebniszieloptimale Steuerung zu ermöglichen. Die Leistungsindikatoren können kosten-, qualitäts- und zeitbezogen ausgerichtet sein, wobei Effektivität als auch Effizienz betrachtet werden müssen.<br />
<br />
Es sei erwähnt, dass nachdem die Kosten einer Leistung zu einem großen Teil bereits in der Entwicklung festgelegt werden, auch im Produktentstehungszyklus die Einbindung der Beschaffung und des Beschaffungscontrollings sinnvoll ist. Auch nach dem Ende der Produktion (Nachsorgezyklus) gibt es im Hinblick auf Gewährleistung und Ersatzteilversorgung Anforderungen an die Beschaffung, die Berücksichtigung finden müssen.<br />
<br />
== Instrumente des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die Instrumente des Controllings umfassen alle ideellen (Methoden, Modelle, Verfahren, Techniken) als auch realen Hilfsmittel (beispielsweise Informationstechnologien), die durch ihre Anwendung die Erfüllung der Aufgaben des Controllings unterstützen. Nahezu der gesamte Umfang betriebswirtschaftlicher Methoden gehört auch zum Instrumentarium des Controllings.<br />
<br />
„''Als Instrumente des Beschaffungs-Controlling sind solche betriebswirtschaftlichen Verfahren, Methoden und Techniken anzusehen, die zur zweckadäquaten Wahrnehmung der beschaffungswirtschaftlichen Controlling-Funktionen erforderlich sind.''“ (Reinschmidt 1989) Zur Erfüllung der Aufgaben in den genannten Handlungsfeldern ergibt sich eine Vielzahl an möglichen bzw. einsetzbaren Instrumenten. Einen Überblick über den Praxiseinsatz ausgesuchter Instrumente gibt eine aktuelle Studie (siehe Abbildung 3).<br />
<br />
<br />
[[Bild:In_der_Beschaffung_eingesetzte_Controllinginstrumente.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 3: In der Beschaffung eingesetzte Controllinginstrumente (Wagner/Weber 2007)<br />
<br />
<br />
Es ist nicht immer sinnvoll und möglich, den gesamten Umfang an Instrumenten einzusetzen. Welche geeignet sind, hängt von unterschiedlichen internen und externen Einflussgrößen wie den situativen Anforderungen der Verwendung, dem Entwicklungsstand des Controllings und dem Führungsverhalten des Unternehmens ab. Es geht also um eine inhaltlich und unternehmenskulturelle fundierte Auswahl (und gegebenenfalls Anpassung) der Controllinginstrumente.<br />
<br />
In Abbildung sind 50 wesentliche Instrumente aufgelistet.<br />
<br />
<br />
[[Bild:50_wesentliche_Instrumente_im_Beschaffungscontrolling.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 4: 50 wesentliche Instrumente im Beschaffungscontrolling (Tschandl/Schentler 2008).<br />
<br />
<br />
<br />
== Organisation des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Bei der Beschaffungscontrollingorganisation handelt es sich um die aufbauorganisatorisch definierten Personen, die Träger der Aufgaben des Beschaffungscontrollings sowie der zugehörigen Kompetenzen sind. Wie auch das Unternehmenscontrolling ergibt sich das Beschaffungscontrolling aus dem Zusammenspiel mehrerer Personen, die nicht unbedingt Controller sein müssen. Die Inhaber der Beschaffungscontrollingfunktion sind für die Existenz der Planungsinstrumente und für die Durchführung der Planung verantwortlich, die Inhalte werden hingegen von den Führungskräften beigesteuert.<br />
<br />
Beschaffungscontrolling setzt nicht die Existenz einer eigenen Beschaffungscontrollingstelle im Unternehmen voraus. Die Controllingtätigkeiten werden häufig von Mitarbeitern der Beschaffung, dem Beschaffungsmanagement oder vom Unternehmenscontrolling ausgeführt. Folgende Argumente sprechen für bzw. gegen die Einrichtung eigener Beschaffungscontrollingstellen:<br />
<br />
<br />
Der potenzielle Aufgabenumfang reicht mitunter nicht aus, um unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsaspekten die Einrichtung einer entsprechenden Stelle zu rechtfertigen.<br />
<br />
Einige Autoren empfehlen hingegen aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Beschaffung die Institutionalisierung einer organisatorischen Einheit für das Beschaffungscontrolling, da die Controllingaufgaben nur effektiv durchgeführt werden können, wenn eine eindeutige Zuordnung der Verantwortung vorliegt. Auch die Forderung nach Unterstützung – als betriebswirtschaftlicher Berater oder kritischer Gegenpart – und Entlastung des Beschaffungsmanagements bringt die Einrichtung einer eigenen Beschaffungscontrollingstelle mit sich.<br />
<br />
<br />
Eine allgemeingültige Empfehlung kann nicht gegeben werden, da die organisatorische Einbindung von den situativen Rahmenbedingungen eines Unternehmens, insbesondere von folgenden Kontextfaktoren, abhängt:<br />
<br />
<br />
die Höhe des Beschaffungsvolumens wie auch die Bedeutung der Beschaffung,<br />
<br />
die organisatorische Einordnung der Beschaffung in die Unternehmensorganisation,<br />
<br />
die Anzahl der Mitarbeiter in der Beschaffung und<br />
<br />
die Abgrenzung, welche beschaffungsrelevanten Tätigkeiten von der Beschaffung und welche von der Unternehmensführung wahrgenommen werden.<br />
<br />
<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
Halusa, M. (1996), Supply-Management-Controlling. Ein aktivitäts- und kooperationsorientierter Ansatz, Bamberg: Difo.<br />
<br />
Jahns, C. (2005), Supply Controlling. Diskussionen über den Zustand einer „Disziplin“, in: Controlling, Jg. 17, H. 6, S. 349-358.<br />
<br />
Jahns, C. (2005), Supply Management. Neue Perspektiven eines Managementansatzes für Einkauf und Supply, St. Gallen: SMG.<br />
<br />
Piontek, J. (2004), Beschaffungscontrolling, 3. Auflage, München; Wien: Oldenbourg.<br />
<br />
Reinschmidt, J. (1989), Beschaffungs-Controlling mit Kennzahlensystemen, Bergisch Gladbach; Köln: Eul.<br />
<br />
Schentler, P. (2008), Beschaffungscontrolling in der kundenindividuellen Massenproduktion, Graz: Leykam.<br />
<br />
Tschandl, M./Schentler, P. (2008), Beschaffungscontrolling - State of the Art, in: Tschandl, M./Bäck, S. (Hrsg.), Supply Chain Performance, Graz: Leykam, S. 3-32.<br />
<br />
Tschandl, Martin/Schentler, Peter/Kirschner, Bernd/Röhrle, Christoph (2007), Business Intelligence in der Beschaffung.<br />
Eine empirische Studie zu Nutzen und Grenzen bei österreichischen Unternehmen, in: WINGbusiness, 40, H. 4, S. 22-27.<br />
<br />
Wagner, S./Weber, J. (2007), Beschaffungscontrolling. Den Wertbeitrag der Beschaffung messen und optimieren, Weinheim: WILEY-VCH.<br />
<br />
<br />
'''Stichwörter'''<br />
<br />
Beschaffung, Controlling, Einkaufscontrolling, Controllingkonzeption, Controllinginstrumente<br />
<br />
<br />
== Autoren ==<br />
<br />
<br />
Martin Tschandl,<br />
<br />
Peter Schentler</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Beschaffungscontrolling&diff=810Beschaffungscontrolling2010-02-15T11:03:30Z<p>87.178.85.190: /* Ziele des Beschaffungscontrollings */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Die Beschaffung verändert sich von einer ''Preisoptimierungsfunktion'' zu einer ''Gewinnbeschaffungs- und Know-how-Transferfunktion''. Beschaffungscontrolling soll die verantwortlichen Entscheider im Unternehmen bei der Nutzung dieser Potenziale unterstützen. Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das über einen Controllingkreislauf (Planung, Kontrolle, Information) eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglicht. Es umfasst fünf Handlungsfelder: Material- und Güterflüsse, Lieferanten, Beschaffungsprogramm, Zahlungsströme und Beschaffungsbereich <br />
<br />
<br />
<br />
== Die Beschaffung – ein Überblick ==<br />
<br />
<br />
Die Beschaffung hat sich zu einer strategisch relevanten ''Gewinnbeschaffungs-'' und ''Know-how-Transferfunktion'' mit großem Einfluss auf das Unternehmensergebnis entwickelt. Bei einer synonymen Verwendung von beschaffungsrelevanten Begriffen kann es für die Darstellung der Konzeption des Beschaffungscontrollings zu Missverständnissen und Unklarheiten kommen, weshalb ausgesuchte beschaffungsrelevante Termini unter Bezugnahme auf das SCOR-Modell des ''Supply Chain Council'' voneinander abgegrenzt werden. <br />
<br />
<br />
[[Bild:Abgrenzung.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 1: Abgrenzung beschaffungsrelevanter Begriffe anhand des SCOR-Modells (''Tschandl/Schentler 2008'')<br />
<br />
<br />
Unter ''Einkauf'' werden die operativen, abwickelnden Tätigkeiten zur Versorgung der Unternehmen mit den notwendigen Rohstoffen, Betriebs- und Hilfsmitteln, Anlagen und Dienstleistungen verstanden, also beispielsweise Angebotsvergleich, Preisverhandlungen oder Bestellung (vgl. Abbildung 1; der Einkauf deckt im Konzept des Supply Chain Council – Plan, Source, Make, Deliver, Return – den Bereich „Source“ ab). Der Begriff ''Beschaffung'' beinhaltet neben den operativen auch strategische einkaufsrelevante Tätigkeiten und hier vor allem die Sicherstellung der Versorgung. Die ''Materialwirtschaft'' berücksichtigt darüber hinausgehend den Prozess bis zur Bereitstellung an die Bedarfsträger im Unternehmen. Dazu zählt auch die (Zwischen-)Lagerung vor dem (nächsten) Produktionsschritt und die Produktionslogistik, nicht jedoch vertriebs- und entsorgungsbezogene Aspekte, die im weiter gefassten Konzept des ''Supply Managements'' – also sämtliche ''betriebliche'' Stoffstrom-, Produkt- und Dienstleistungsprozesse von den Lieferanten und an die Kunden (Transfer und Transaktion) – inkludiert sind. ''Supply Chain Management'' ist die Verbindung von Supply-Management-Systemen, also die Interaktion mit Kunden und Lieferanten entlang der gesamten Wertschöpfungskette von den Urproduzenten bis zu den Endverbrauchern, und kann auch mit Logistik im weiteren Sinn gleichgesetzt werden.<br />
<br />
== Konzeption des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die Verantwortung für die Erreichung notwendiger und/oder angepeilter Gewinnziele trägt die Unternehmensführung. Sie wird von der Funktion ''Controlling'' bei den Managementaufgaben – für Ziele sorgen, entscheiden, Ressourcen organisieren, kontrollieren und Mitarbeiter entwickeln – unterstützt und begleitet. Als zentralen Nutzen ermöglicht Controlling durch die zeitliche Unterteilung von Zielen (Planung), deren systematische Kontrolle und der Analyse von Abweichungen eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination eines Unternehmens (Unternehmens-/Finanzcontrolling) oder einzelner Teile und Funktionen („Bindestrich“-Controlling). Demnach soll ''Beschaffungscontrolling'' als ''eine'' Art der Bindestrich-Controllingarten – mit Bezug auf die Bedeutung der Beschaffung sowie mit Hilfe beschaffungsrelevanter Zielsetzungen, Strategien und Instrumente – die Beschaffungsverantwortlichen unterstützen, ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Durch die institutionalisierte Planung, Kontrolle und Informationsversorgung werden Effektivität und Effizienz in der Beschaffung erreicht, indem sowohl Kosten- und Nutzenpotenziale als auch Chancen und Risiken frühzeitig erkannt und in weiterer Folge aktiv gesteuert werden können.<br />
<br />
''Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das über einen Controllingkreislauf (Planung, Kontrolle, Information) eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglicht. Zusätzliche beratende Unterstützung der Beschaffungsführung soll rationale Entscheidungen sicherstellen und so die Reaktions- und Adaptionsfähigkeit erhöhen. Es stellt damit einen funktionsspezifisch ausgerichteten Bestandteil eines unternehmensweiten Controllings dar.''<br />
<br />
<br />
Eine ''Controllingkonzeption'' für die Beschaffung richtet sich an den Bedürfnissen der Beschaffungsführung aus, indem es (betriebswirtschaftlichen) Service und Entscheidungsunterstützung bietet, und so die effiziente und effektive Gestaltung der Versorgung eines Unternehmens sichert(siehe Abbildung 2).<br />
<br />
<br />
[[Bild:Konzeption des Beschaffungscontrollings.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 2: Konzeption des Beschaffungscontrollings (''Tschandl/Schentler 2008'')<br />
<br />
== Ziele des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die auf die spezifischen Anforderungen ausgerichteten Ziele des Controllings spiegeln sich in den direkten und die Ziele der Beschaffung in den indirekten Beschaffungscontrollingzielen wider.<br />
<br />
Die ''direkten Ziele'' umfassen die Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit der Führung, damit diese in der Lage ist, die Unternehmensziele zu realisieren.<br />
<br />
Die ''indirekten Ziele'' stellen den erwünschten Zustand – in diesem Fall die Beschaffungsziele – dar, dessen Erreichung das Controlling herbeiführen soll:<br />
<br />
<br />
''Beschaffungskosten senken'': Die Beschaffungskosten umfassen Beschaffungsobjekt-, Beschaffungsprozess- und sonstige beschaffungsbezogene Kosten.<br />
<br />
''Beschaffungsqualität erhöhen'': Die Beschaffungsqualität stellt die Deckungsgleichheit zwischen geforderten und erhaltenen Anforderungen dar und umfasst Aspekte wie das Produkt selbst, Lieferort und Liefer-service. Die Qualität umfasst Leistungskonstanz (weniger Schwankungen) und/oder Leistungssteigerungen (bessere Leistungen).<br />
<br />
''Beschaffungszeit senken'': Die Beschaffungszeit stellt den Zeitraum dar, der für die Wiederbeschaffung benötigt wird.<br />
<br />
''Beschaffungsrisiko senken'': Beschaffungsrisiken entstehen durch die Abweichung der tatsächlichen von den geplanten Ereignissen in den Beschaffungsmärkten als auch im Beschaffungsbereich. Bei diesem Ziel geht es um die Reduktion von Risiken durch Risikostreuung und Störungsvermeidung.<br />
<br />
''Beschaffungsflexibilität erhöhen'': Die Beschaffungsflexibilität drückt den Handlungsspielraum eines Unternehmens im Hinblick auf ungeplante bzw. unplanbare Abweichungen aus, umfasst also Leistungs-, Mengen-, Zeit- und Ortsflexibilität. <br />
<br />
''Beschaffungsautonomie optimieren'': Die Autonomie bezieht sich auf die Abhängigkeit eines Unternehmens von seinen Zulieferern. Entsprechend den Anforderungen und Möglichkeiten der Beschaffungsobjekte ist eine zielgerichtete Steuerung notwendig.<br />
<br />
''Gemeinwohlorientierte Beschaffungsziele verfolgen'': Bei diesen Zielen stehen nicht die eigenen Interessen im Vordergrund, sondern das übergeordnete Wohl. Beispiele sind soziale oder ökologische Ziele.<br />
<br />
== Aufgaben des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Im '''Handlungsfeld Material- und Güterflüsse''' liegt das Hauptaugenmerk auf der Optimierung der Preise und Bestände bei gleichzeitiger Sicherstellung der Lieferbereitschaft, Lieferflexibilität, Materialqualität und Preisstabilität. Bei ''der strategischen Beschaffungsplanung und -kontrolle'' steht die Festlegung des strategischen Beschaffungsprogramms, also der Gesamtheit der art-, mengen-, termin- und qualitätsmäßig spezifizierten Beschaffungsobjekte, die zur Fertigung des strategischen Absatzprogramms eingesetzt werden sollen, im Vordergrund. Entsprechend den Unternehmens- und Bereichsstrategien sind die wichtigsten unternehmensinternen und -externen Einflussgrößen des strategischen Bedarfes sowie deren zukünftige Entwicklung zu erfassen und zu analysieren. Darauf aufbauend werden geeignete Beschaffungsstrategien – unter Berücksichtigung der Beschaffungsziele und interner und externer Rahmenbedingungen – ausgewählt. Die ''operative Beschaffungsplanung und -kontrolle'' baut auf einem durch das Produktions- und Absatzprogramm sowie durch die vorhandene Ausstattung des Produktionsbereiches bereits weitgehend art-, mengen- und qualitätsmäßig determinierten Materialbedarf auf. Es gilt die Bedarfe abzuleiten und zu planen, welche Beschaffungsobjekte in welcher Qualität zu welchen Terminen zu beschaffen sind. Der ''Steuerung der Bestände im Beschaffungsbereich'' kommt die Aufgabe der ergebniszielorientierten Gestaltung der Lagerbestände zu.<br />
<br />
Das zweite '''Handlungsfeld''' umfasst die '''Lieferanten'''. Das Controlling unterstützt das Management bei der ergebniszielorientierten Koordination der zwischenbe-trieblichen Beziehungen. Es muss „''Konzepte und Instrumente für eine effektive Koordination der Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und seinen Lieferanten ein- und umsetzen''.“ (''Wagner/Weber 2007'') Dabei stehen folgende Aufgaben im Mittelpunkt:<br />
<br />
die ''Planung und Kontrolle der Lieferantenstrategien'',<br />
<br />
die ''Lieferantenauswahl und -beurteilung'', inklusive der Messung der Performance der Zusammenarbeit mit den Lieferanten, und<br />
<br />
die ''Steuerung der Geschäftsbeziehung'' (Kooperationscontrolling).<br />
<br />
<br />
Das '''Handlungsfeld Beschaffungsprogramm''' umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle der zugekauften Materialien und Güter:<br />
<br />
<br />
Entscheidungen hinsichtlich der ''Festlegung der optimalen Fertigungstiefe'' (Make-or-Buy) müssen unterstützt werden, was auch den Umfang der zu beschaffenden Objekte beeinflusst. Ein Teil dieser Aufgabe ist das Ausfindigmachen von Potenzialen für In- und Outsourcing, indem die Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens den Angeboten auf dem Beschaffungsmarkt gegenübergestellt werden.<br />
<br />
Das Beschaffungscontrolling muss eine ''Steuerung der Beschaffungsobjektstruktur'' ermöglichen, indem Kosten und Nutzen der Beschaffungsobjekte transparent gemacht werden. Zusätzlich können durch eine gezielte Sortimentsgestaltung in der Beschaffung auch Vorteile durch die Mehrfachverwendung von Teilen und Materialien erkannt und realisiert werden.<br />
<br />
Ein weiteres Aufgabenfeld liegt im ''Aufzeigen potenzieller horizontaler Verbundeffekte'' und deren Auswirkung auf die Beschaffungsziele. Durch die Bündelung von Bedarfen innerhalb des Unternehmens und/oder über die Unternehmensgrenzen hinweg kann es zu Verbesserungen kommen.<br />
<br />
<br />
Das Management der Zahlungen zwischen dem Unternehmen und dessen Lieferanten trägt mitunter signifikant zum Unternehmensgewinn bei. Das '''Handlungsfeld Zahlungsströme''' soll deren Planung, ''Steuerung und Kontrolle'' sicherstellen. Dieses Handlungsfeld liegt an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen. Für die Vereinbarung der Zahlungsziele und die Vertragsgestaltung ist die Beschaffung verantwortlich, für die Bezahlung und das Ausnutzen der Skonti das Rechnungswesen. Schon bei der Vertragsgestaltung ist eine zielgerichtete Koordination notwendig, um das Spannungsfeld zwischen ausreichender Liquidität und hoher Rendite ausgleichen zu können. Auch dem Working Capital Tracking kommt eine große Bedeutung zu. Im Sinne einer liquiditätsorientierten Finanzplanung sind die voraussichtlichen Zahlungstermine zu budgetieren, damit – vonseiten der Finanzabteilung – die erforderlichen liquiden Mittel bereitgestellt werden können. Erfolgt eine solche Planung nicht, kann es zu höheren Kosten für kurzfristige Kredite, entgangenen Skonti, Liquiditätsschwierigkeiten und Imageverlusten bei Lieferanten kommen.<br />
Das Handlungsfeld Beschaffungsbereich fokussiert auf die Steuerung der Organisationseinheit Beschaffung. Die erste Aufgabe umfasst die ''Steuerung der Beschaffungsaktivitäten''. Aus strategischer Sicht geht es um die Frage, welche zukünftigen Aktivitäten für das Unternehmen eine Chance beinhalten, dauerhaft den Beitrag der Beschaffung zum Ergebnis zu steigern. Das umfasst folgende Aufgaben:<br />
<br />
<br />
Initiierung des strategischen Leitbildes der Beschaffung,<br />
<br />
Erstellung einer Stärken-Schwächen-Analyse der Beschaffungspoten-ziale,<br />
<br />
Entwicklung strategischer Beschaffungsziele,<br />
<br />
Institutionalisierung des strategischen Soll-Ist-Vergleiches und<br />
<br />
Vorbereitung von Steuerungsmaßnahmen für Zielabweichungen.<br />
<br />
<br />
Operativ steht die Steuerung des Inputfaktoreneinsatzes der in der Beschaffung durchgeführten Tätigkeiten im Vordergrund. Zusätzlich muss das Verhältnis der strategischen und operativen Tätigkeiten in der Beschaffung ausbalanciert werden.<br />
<br />
Bei der ''Performance-Messung des Beschaffungsbereiches'' ist zu beurteilen, welche Leistung bzw. welcher Ergebnisbeitrag und welche Kosten von der Beschaffungsabteilung verursacht werden. Bereichseffizienz (Kosten der Beschaffungsaktivitäten) und Beschaffungserfolg (Nutzen der Beschaffung) sind gegenüberzustellen, um eine ergebniszieloptimale Steuerung zu ermöglichen. Die Leistungsindikatoren können kosten-, qualitäts- und zeitbezogen ausgerichtet sein, wobei Effektivität als auch Effizienz betrachtet werden müssen.<br />
<br />
Es sei erwähnt, dass nachdem die Kosten einer Leistung zu einem großen Teil bereits in der Entwicklung festgelegt werden, auch im Produktentstehungszyklus die Einbindung der Beschaffung und des Beschaffungscontrollings sinnvoll ist. Auch nach dem Ende der Produktion (Nachsorgezyklus) gibt es im Hinblick auf Gewährleistung und Ersatzteilversorgung Anforderungen an die Beschaffung, die Berücksichtigung finden müssen.<br />
<br />
<br />
== Instrumente des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die Instrumente des Controllings umfassen alle ideellen (Methoden, Modelle, Verfahren, Techniken) als auch realen Hilfsmittel (beispielsweise Informationstechnologien), die durch ihre Anwendung die Erfüllung der Aufgaben des Controllings unterstützen. Nahezu der gesamte Umfang betriebswirtschaftlicher Methoden gehört auch zum Instrumentarium des Controllings.<br />
<br />
„''Als Instrumente des Beschaffungs-Controlling sind solche betriebswirtschaftlichen Verfahren, Methoden und Techniken anzusehen, die zur zweckadäquaten Wahrnehmung der beschaffungswirtschaftlichen Controlling-Funktionen erforderlich sind.''“ (Reinschmidt 1989) Zur Erfüllung der Aufgaben in den genannten Handlungsfeldern ergibt sich eine Vielzahl an möglichen bzw. einsetzbaren Instrumenten. Einen Überblick über den Praxiseinsatz ausgesuchter Instrumente gibt eine aktuelle Studie (siehe Abbildung 3).<br />
<br />
<br />
[[Bild:In_der_Beschaffung_eingesetzte_Controllinginstrumente.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 3: In der Beschaffung eingesetzte Controllinginstrumente (Wagner/Weber 2007)<br />
<br />
<br />
Es ist nicht immer sinnvoll und möglich, den gesamten Umfang an Instrumenten einzusetzen. Welche geeignet sind, hängt von unterschiedlichen internen und externen Einflussgrößen wie den situativen Anforderungen der Verwendung, dem Entwicklungsstand des Controllings und dem Führungsverhalten des Unternehmens ab. Es geht also um eine inhaltlich und unternehmenskulturelle fundierte Auswahl (und gegebenenfalls Anpassung) der Controllinginstrumente.<br />
<br />
In Abbildung sind 50 wesentliche Instrumente aufgelistet.<br />
<br />
<br />
[[Bild:50_wesentliche_Instrumente_im_Beschaffungscontrolling.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 4: 50 wesentliche Instrumente im Beschaffungscontrolling (Tschandl/Schentler 2008).<br />
<br />
<br />
<br />
== Organisation des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Bei der Beschaffungscontrollingorganisation handelt es sich um die aufbauorganisatorisch definierten Personen, die Träger der Aufgaben des Beschaffungscontrollings sowie der zugehörigen Kompetenzen sind. Wie auch das Unternehmenscontrolling ergibt sich das Beschaffungscontrolling aus dem Zusammenspiel mehrerer Personen, die nicht unbedingt Controller sein müssen. Die Inhaber der Beschaffungscontrollingfunktion sind für die Existenz der Planungsinstrumente und für die Durchführung der Planung verantwortlich, die Inhalte werden hingegen von den Führungskräften beigesteuert.<br />
<br />
Beschaffungscontrolling setzt nicht die Existenz einer eigenen Beschaffungscontrollingstelle im Unternehmen voraus. Die Controllingtätigkeiten werden häufig von Mitarbeitern der Beschaffung, dem Beschaffungsmanagement oder vom Unternehmenscontrolling ausgeführt. Folgende Argumente sprechen für bzw. gegen die Einrichtung eigener Beschaffungscontrollingstellen:<br />
<br />
<br />
Der potenzielle Aufgabenumfang reicht mitunter nicht aus, um unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsaspekten die Einrichtung einer entsprechenden Stelle zu rechtfertigen.<br />
<br />
Einige Autoren empfehlen hingegen aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Beschaffung die Institutionalisierung einer organisatorischen Einheit für das Beschaffungscontrolling, da die Controllingaufgaben nur effektiv durchgeführt werden können, wenn eine eindeutige Zuordnung der Verantwortung vorliegt. Auch die Forderung nach Unterstützung – als betriebswirtschaftlicher Berater oder kritischer Gegenpart – und Entlastung des Beschaffungsmanagements bringt die Einrichtung einer eigenen Beschaffungscontrollingstelle mit sich.<br />
<br />
<br />
Eine allgemeingültige Empfehlung kann nicht gegeben werden, da die organisatorische Einbindung von den situativen Rahmenbedingungen eines Unternehmens, insbesondere von folgenden Kontextfaktoren, abhängt:<br />
<br />
<br />
die Höhe des Beschaffungsvolumens wie auch die Bedeutung der Beschaffung,<br />
<br />
die organisatorische Einordnung der Beschaffung in die Unternehmensorganisation,<br />
<br />
die Anzahl der Mitarbeiter in der Beschaffung und<br />
<br />
die Abgrenzung, welche beschaffungsrelevanten Tätigkeiten von der Beschaffung und welche von der Unternehmensführung wahrgenommen werden.<br />
<br />
<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
Halusa, M. (1996), Supply-Management-Controlling. Ein aktivitäts- und kooperationsorientierter Ansatz, Bamberg: Difo.<br />
<br />
Jahns, C. (2005), Supply Controlling. Diskussionen über den Zustand einer „Disziplin“, in: Controlling, Jg. 17, H. 6, S. 349-358.<br />
<br />
Jahns, C. (2005), Supply Management. Neue Perspektiven eines Managementansatzes für Einkauf und Supply, St. Gallen: SMG.<br />
<br />
Piontek, J. (2004), Beschaffungscontrolling, 3. Auflage, München; Wien: Oldenbourg.<br />
<br />
Reinschmidt, J. (1989), Beschaffungs-Controlling mit Kennzahlensystemen, Bergisch Gladbach; Köln: Eul.<br />
<br />
Schentler, P. (2008), Beschaffungscontrolling in der kundenindividuellen Massenproduktion, Graz: Leykam.<br />
<br />
Tschandl, M./Schentler, P. (2008), Beschaffungscontrolling - State of the Art, in: Tschandl, M./Bäck, S. (Hrsg.), Supply Chain Performance, Graz: Leykam, S. 3-32.<br />
<br />
Tschandl, Martin/Schentler, Peter/Kirschner, Bernd/Röhrle, Christoph (2007), Business Intelligence in der Beschaffung.<br />
Eine empirische Studie zu Nutzen und Grenzen bei österreichischen Unternehmen, in: WINGbusiness, 40, H. 4, S. 22-27.<br />
<br />
Wagner, S./Weber, J. (2007), Beschaffungscontrolling. Den Wertbeitrag der Beschaffung messen und optimieren, Weinheim: WILEY-VCH.<br />
<br />
<br />
'''Stichwörter'''<br />
<br />
Beschaffung, Controlling, Einkaufscontrolling, Controllingkonzeption, Controllinginstrumente<br />
<br />
<br />
== Autoren ==<br />
<br />
<br />
Martin Tschandl,<br />
<br />
Peter Schentler</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Beschaffungscontrolling&diff=809Beschaffungscontrolling2010-02-15T10:58:55Z<p>87.178.85.190: /* Konzeption des Beschaffungscontrollings */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Die Beschaffung verändert sich von einer ''Preisoptimierungsfunktion'' zu einer ''Gewinnbeschaffungs- und Know-how-Transferfunktion''. Beschaffungscontrolling soll die verantwortlichen Entscheider im Unternehmen bei der Nutzung dieser Potenziale unterstützen. Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das über einen Controllingkreislauf (Planung, Kontrolle, Information) eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglicht. Es umfasst fünf Handlungsfelder: Material- und Güterflüsse, Lieferanten, Beschaffungsprogramm, Zahlungsströme und Beschaffungsbereich <br />
<br />
<br />
<br />
== Die Beschaffung – ein Überblick ==<br />
<br />
<br />
Die Beschaffung hat sich zu einer strategisch relevanten ''Gewinnbeschaffungs-'' und ''Know-how-Transferfunktion'' mit großem Einfluss auf das Unternehmensergebnis entwickelt. Bei einer synonymen Verwendung von beschaffungsrelevanten Begriffen kann es für die Darstellung der Konzeption des Beschaffungscontrollings zu Missverständnissen und Unklarheiten kommen, weshalb ausgesuchte beschaffungsrelevante Termini unter Bezugnahme auf das SCOR-Modell des ''Supply Chain Council'' voneinander abgegrenzt werden. <br />
<br />
<br />
[[Bild:Abgrenzung.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 1: Abgrenzung beschaffungsrelevanter Begriffe anhand des SCOR-Modells (''Tschandl/Schentler 2008'')<br />
<br />
<br />
Unter ''Einkauf'' werden die operativen, abwickelnden Tätigkeiten zur Versorgung der Unternehmen mit den notwendigen Rohstoffen, Betriebs- und Hilfsmitteln, Anlagen und Dienstleistungen verstanden, also beispielsweise Angebotsvergleich, Preisverhandlungen oder Bestellung (vgl. Abbildung 1; der Einkauf deckt im Konzept des Supply Chain Council – Plan, Source, Make, Deliver, Return – den Bereich „Source“ ab). Der Begriff ''Beschaffung'' beinhaltet neben den operativen auch strategische einkaufsrelevante Tätigkeiten und hier vor allem die Sicherstellung der Versorgung. Die ''Materialwirtschaft'' berücksichtigt darüber hinausgehend den Prozess bis zur Bereitstellung an die Bedarfsträger im Unternehmen. Dazu zählt auch die (Zwischen-)Lagerung vor dem (nächsten) Produktionsschritt und die Produktionslogistik, nicht jedoch vertriebs- und entsorgungsbezogene Aspekte, die im weiter gefassten Konzept des ''Supply Managements'' – also sämtliche ''betriebliche'' Stoffstrom-, Produkt- und Dienstleistungsprozesse von den Lieferanten und an die Kunden (Transfer und Transaktion) – inkludiert sind. ''Supply Chain Management'' ist die Verbindung von Supply-Management-Systemen, also die Interaktion mit Kunden und Lieferanten entlang der gesamten Wertschöpfungskette von den Urproduzenten bis zu den Endverbrauchern, und kann auch mit Logistik im weiteren Sinn gleichgesetzt werden.<br />
<br />
== Konzeption des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die Verantwortung für die Erreichung notwendiger und/oder angepeilter Gewinnziele trägt die Unternehmensführung. Sie wird von der Funktion ''Controlling'' bei den Managementaufgaben – für Ziele sorgen, entscheiden, Ressourcen organisieren, kontrollieren und Mitarbeiter entwickeln – unterstützt und begleitet. Als zentralen Nutzen ermöglicht Controlling durch die zeitliche Unterteilung von Zielen (Planung), deren systematische Kontrolle und der Analyse von Abweichungen eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination eines Unternehmens (Unternehmens-/Finanzcontrolling) oder einzelner Teile und Funktionen („Bindestrich“-Controlling). Demnach soll ''Beschaffungscontrolling'' als ''eine'' Art der Bindestrich-Controllingarten – mit Bezug auf die Bedeutung der Beschaffung sowie mit Hilfe beschaffungsrelevanter Zielsetzungen, Strategien und Instrumente – die Beschaffungsverantwortlichen unterstützen, ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Durch die institutionalisierte Planung, Kontrolle und Informationsversorgung werden Effektivität und Effizienz in der Beschaffung erreicht, indem sowohl Kosten- und Nutzenpotenziale als auch Chancen und Risiken frühzeitig erkannt und in weiterer Folge aktiv gesteuert werden können.<br />
<br />
''Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das über einen Controllingkreislauf (Planung, Kontrolle, Information) eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglicht. Zusätzliche beratende Unterstützung der Beschaffungsführung soll rationale Entscheidungen sicherstellen und so die Reaktions- und Adaptionsfähigkeit erhöhen. Es stellt damit einen funktionsspezifisch ausgerichteten Bestandteil eines unternehmensweiten Controllings dar.''<br />
<br />
<br />
Eine ''Controllingkonzeption'' für die Beschaffung richtet sich an den Bedürfnissen der Beschaffungsführung aus, indem es (betriebswirtschaftlichen) Service und Entscheidungsunterstützung bietet, und so die effiziente und effektive Gestaltung der Versorgung eines Unternehmens sichert(siehe Abbildung 2).<br />
<br />
<br />
[[Bild:Konzeption des Beschaffungscontrollings.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 2: Konzeption des Beschaffungscontrollings (''Tschandl/Schentler 2008'')<br />
<br />
== Ziele des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die auf die spezifischen Anforderungen ausgerichteten Ziele des Controllings spiegeln sich in den direkten und die Ziele der Beschaffung in den indirekten Beschaffungs¬controllingzielen wider.<br />
<br />
Die ''direkten Ziele'' umfassen die Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit der Führung, damit diese in der Lage ist, die Unternehmensziele zu realisieren.<br />
<br />
Die ''indirekten Ziele'' stellen den erwünschten Zustand – in diesem Fall die Beschaffungsziele – dar, dessen Erreichung das Controlling herbeiführen soll:<br />
<br />
<br />
''Beschaffungskosten senken'': Die Beschaffungskosten umfassen Beschaffungsobjekt-, Beschaffungsprozess- und sonstige beschaffungsbezogene Kosten.<br />
<br />
''Beschaffungsqualität erhöhen'': Die Beschaffungsqualität stellt die Deckungsgleichheit zwischen geforderten und erhaltenen Anforderungen dar und umfasst Aspekte wie das Produkt selbst, Lieferort und Liefer-service. Die Qualität umfasst Leistungskonstanz (weniger Schwankungen) und/oder Leistungssteigerungen (bessere Leistungen).<br />
<br />
''Beschaffungszeit senken'': Die Beschaffungszeit stellt den Zeitraum dar, der für die Wiederbeschaffung benötigt wird.<br />
<br />
''Beschaffungsrisiko senken'': Beschaffungsrisiken entstehen durch die Abweichung der tatsächlichen von den geplanten Ereignissen in den Beschaffungsmärkten als auch im Beschaffungsbereich. Bei diesem Ziel geht es um die Reduktion von Risiken durch Risikostreuung und Störungsvermeidung.<br />
<br />
''Beschaffungsflexibilität erhöhen'': Die Beschaffungsflexibilität drückt den Handlungsspielraum eines Unternehmens im Hinblick auf ungeplante bzw. unplanbare Abweichungen aus, umfasst also Leistungs-, Mengen-, Zeit- und Ortsflexibilität. <br />
<br />
''Beschaffungsautonomie optimieren'': Die Autonomie bezieht sich auf die Abhängigkeit eines Unternehmens von seinen Zulieferern. Entsprechend den Anforderungen und Möglichkeiten der Beschaffungsobjekte ist eine zielgerichtete Steuerung notwendig.<br />
<br />
''Gemeinwohlorientierte Beschaffungsziele verfolgen'': Bei diesen Zielen stehen nicht die eigenen Interessen im Vordergrund, sondern das übergeordnete Wohl. Beispiele sind soziale oder ökologische Ziele.<br />
<br />
<br />
<br />
== Aufgaben des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Im '''Handlungsfeld Material- und Güterflüsse''' liegt das Hauptaugenmerk auf der Optimierung der Preise und Bestände bei gleichzeitiger Sicherstellung der Lieferbereitschaft, Lieferflexibilität, Materialqualität und Preisstabilität. Bei ''der strategischen Beschaffungsplanung und -kontrolle'' steht die Festlegung des strategischen Beschaffungsprogramms, also der Gesamtheit der art-, mengen-, termin- und qualitätsmäßig spezifizierten Beschaffungsobjekte, die zur Fertigung des strategischen Absatzprogramms eingesetzt werden sollen, im Vordergrund. Entsprechend den Unternehmens- und Bereichsstrategien sind die wichtigsten unternehmensinternen und -externen Einflussgrößen des strategischen Bedarfes sowie deren zukünftige Entwicklung zu erfassen und zu analysieren. Darauf aufbauend werden geeignete Beschaffungsstrategien – unter Berücksichtigung der Beschaffungsziele und interner und externer Rahmenbedingungen – ausgewählt. Die ''operative Beschaffungsplanung und -kontrolle'' baut auf einem durch das Produktions- und Absatzprogramm sowie durch die vorhandene Ausstattung des Produktionsbereiches bereits weitgehend art-, mengen- und qualitätsmäßig determinierten Materialbedarf auf. Es gilt die Bedarfe abzuleiten und zu planen, welche Beschaffungsobjekte in welcher Qualität zu welchen Terminen zu beschaffen sind. Der ''Steuerung der Bestände im Beschaffungsbereich'' kommt die Aufgabe der ergebniszielorientierten Gestaltung der Lagerbestände zu.<br />
<br />
Das zweite '''Handlungsfeld''' umfasst die '''Lieferanten'''. Das Controlling unterstützt das Management bei der ergebniszielorientierten Koordination der zwischenbe-trieblichen Beziehungen. Es muss „''Konzepte und Instrumente für eine effektive Koordination der Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und seinen Lieferanten ein- und umsetzen''.“ (''Wagner/Weber 2007'') Dabei stehen folgende Aufgaben im Mittelpunkt:<br />
<br />
die ''Planung und Kontrolle der Lieferantenstrategien'',<br />
<br />
die ''Lieferantenauswahl und -beurteilung'', inklusive der Messung der Performance der Zusammenarbeit mit den Lieferanten, und<br />
<br />
die ''Steuerung der Geschäftsbeziehung'' (Kooperationscontrolling).<br />
<br />
<br />
Das '''Handlungsfeld Beschaffungsprogramm''' umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle der zugekauften Materialien und Güter:<br />
<br />
<br />
Entscheidungen hinsichtlich der ''Festlegung der optimalen Fertigungstiefe'' (Make-or-Buy) müssen unterstützt werden, was auch den Umfang der zu beschaffenden Objekte beeinflusst. Ein Teil dieser Aufgabe ist das Ausfindigmachen von Potenzialen für In- und Outsourcing, indem die Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens den Angeboten auf dem Beschaffungsmarkt gegenübergestellt werden.<br />
<br />
Das Beschaffungscontrolling muss eine ''Steuerung der Beschaffungsobjektstruktur'' ermöglichen, indem Kosten und Nutzen der Beschaffungsobjekte transparent gemacht werden. Zusätzlich können durch eine gezielte Sortimentsgestaltung in der Beschaffung auch Vorteile durch die Mehrfachverwendung von Teilen und Materialien erkannt und realisiert werden.<br />
<br />
Ein weiteres Aufgabenfeld liegt im ''Aufzeigen potenzieller horizontaler Verbundeffekte'' und deren Auswirkung auf die Beschaffungsziele. Durch die Bündelung von Bedarfen innerhalb des Unternehmens und/oder über die Unternehmensgrenzen hinweg kann es zu Verbesserungen kommen.<br />
<br />
<br />
Das Management der Zahlungen zwischen dem Unternehmen und dessen Lieferanten trägt mitunter signifikant zum Unternehmensgewinn bei. Das '''Handlungsfeld Zahlungsströme''' soll deren Planung, ''Steuerung und Kontrolle'' sicherstellen. Dieses Handlungsfeld liegt an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen. Für die Vereinbarung der Zahlungsziele und die Vertragsgestaltung ist die Beschaffung verantwortlich, für die Bezahlung und das Ausnutzen der Skonti das Rechnungswesen. Schon bei der Vertragsgestaltung ist eine zielgerichtete Koordination notwendig, um das Spannungsfeld zwischen ausreichender Liquidität und hoher Rendite ausgleichen zu können. Auch dem Working Capital Tracking kommt eine große Bedeutung zu. Im Sinne einer liquiditätsorientierten Finanzplanung sind die voraussichtlichen Zahlungstermine zu budgetieren, damit – vonseiten der Finanzabteilung – die erforderlichen liquiden Mittel bereitgestellt werden können. Erfolgt eine solche Planung nicht, kann es zu höheren Kosten für kurzfristige Kredite, entgangenen Skonti, Liquiditätsschwierigkeiten und Imageverlusten bei Lieferanten kommen.<br />
Das Handlungsfeld Beschaffungsbereich fokussiert auf die Steuerung der Organisationseinheit Beschaffung. Die erste Aufgabe umfasst die ''Steuerung der Beschaffungsaktivitäten''. Aus strategischer Sicht geht es um die Frage, welche zukünftigen Aktivitäten für das Unternehmen eine Chance beinhalten, dauerhaft den Beitrag der Beschaffung zum Ergebnis zu steigern. Das umfasst folgende Aufgaben:<br />
<br />
<br />
Initiierung des strategischen Leitbildes der Beschaffung,<br />
<br />
Erstellung einer Stärken-Schwächen-Analyse der Beschaffungspoten-ziale,<br />
<br />
Entwicklung strategischer Beschaffungsziele,<br />
<br />
Institutionalisierung des strategischen Soll-Ist-Vergleiches und<br />
<br />
Vorbereitung von Steuerungsmaßnahmen für Zielabweichungen.<br />
<br />
<br />
Operativ steht die Steuerung des Inputfaktoreneinsatzes der in der Beschaffung durchgeführten Tätigkeiten im Vordergrund. Zusätzlich muss das Verhältnis der strategischen und operativen Tätigkeiten in der Beschaffung ausbalanciert werden.<br />
<br />
Bei der ''Performance-Messung des Beschaffungsbereiches'' ist zu beurteilen, welche Leistung bzw. welcher Ergebnisbeitrag und welche Kosten von der Beschaffungsabteilung verursacht werden. Bereichseffizienz (Kosten der Beschaffungsaktivitäten) und Beschaffungserfolg (Nutzen der Beschaffung) sind gegenüberzustellen, um eine ergebniszieloptimale Steuerung zu ermöglichen. Die Leistungsindikatoren können kosten-, qualitäts- und zeitbezogen ausgerichtet sein, wobei Effektivität als auch Effizienz betrachtet werden müssen.<br />
<br />
Es sei erwähnt, dass nachdem die Kosten einer Leistung zu einem großen Teil bereits in der Entwicklung festgelegt werden, auch im Produktentstehungszyklus die Einbindung der Beschaffung und des Beschaffungscontrollings sinnvoll ist. Auch nach dem Ende der Produktion (Nachsorgezyklus) gibt es im Hinblick auf Gewährleistung und Ersatzteilversorgung Anforderungen an die Beschaffung, die Berücksichtigung finden müssen.<br />
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<br />
== Instrumente des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die Instrumente des Controllings umfassen alle ideellen (Methoden, Modelle, Verfahren, Techniken) als auch realen Hilfsmittel (beispielsweise Informationstechnologien), die durch ihre Anwendung die Erfüllung der Aufgaben des Controllings unterstützen. Nahezu der gesamte Umfang betriebswirtschaftlicher Methoden gehört auch zum Instrumentarium des Controllings.<br />
<br />
„''Als Instrumente des Beschaffungs-Controlling sind solche betriebswirtschaftlichen Verfahren, Methoden und Techniken anzusehen, die zur zweckadäquaten Wahrnehmung der beschaffungswirtschaftlichen Controlling-Funktionen erforderlich sind.''“ (Reinschmidt 1989) Zur Erfüllung der Aufgaben in den genannten Handlungsfeldern ergibt sich eine Vielzahl an möglichen bzw. einsetzbaren Instrumenten. Einen Überblick über den Praxiseinsatz ausgesuchter Instrumente gibt eine aktuelle Studie (siehe Abbildung 3).<br />
<br />
<br />
[[Bild:In_der_Beschaffung_eingesetzte_Controllinginstrumente.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 3: In der Beschaffung eingesetzte Controllinginstrumente (Wagner/Weber 2007)<br />
<br />
<br />
Es ist nicht immer sinnvoll und möglich, den gesamten Umfang an Instrumenten einzusetzen. Welche geeignet sind, hängt von unterschiedlichen internen und externen Einflussgrößen wie den situativen Anforderungen der Verwendung, dem Entwicklungsstand des Controllings und dem Führungsverhalten des Unternehmens ab. Es geht also um eine inhaltlich und unternehmenskulturelle fundierte Auswahl (und gegebenenfalls Anpassung) der Controllinginstrumente.<br />
<br />
In Abbildung sind 50 wesentliche Instrumente aufgelistet.<br />
<br />
<br />
[[Bild:50_wesentliche_Instrumente_im_Beschaffungscontrolling.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 4: 50 wesentliche Instrumente im Beschaffungscontrolling (Tschandl/Schentler 2008).<br />
<br />
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<br />
== Organisation des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Bei der Beschaffungscontrollingorganisation handelt es sich um die aufbauorganisatorisch definierten Personen, die Träger der Aufgaben des Beschaffungscontrollings sowie der zugehörigen Kompetenzen sind. Wie auch das Unternehmenscontrolling ergibt sich das Beschaffungscontrolling aus dem Zusammenspiel mehrerer Personen, die nicht unbedingt Controller sein müssen. Die Inhaber der Beschaffungscontrollingfunktion sind für die Existenz der Planungsinstrumente und für die Durchführung der Planung verantwortlich, die Inhalte werden hingegen von den Führungskräften beigesteuert.<br />
<br />
Beschaffungscontrolling setzt nicht die Existenz einer eigenen Beschaffungscontrollingstelle im Unternehmen voraus. Die Controllingtätigkeiten werden häufig von Mitarbeitern der Beschaffung, dem Beschaffungsmanagement oder vom Unternehmenscontrolling ausgeführt. Folgende Argumente sprechen für bzw. gegen die Einrichtung eigener Beschaffungscontrollingstellen:<br />
<br />
<br />
Der potenzielle Aufgabenumfang reicht mitunter nicht aus, um unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsaspekten die Einrichtung einer entsprechenden Stelle zu rechtfertigen.<br />
<br />
Einige Autoren empfehlen hingegen aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Beschaffung die Institutionalisierung einer organisatorischen Einheit für das Beschaffungscontrolling, da die Controllingaufgaben nur effektiv durchgeführt werden können, wenn eine eindeutige Zuordnung der Verantwortung vorliegt. Auch die Forderung nach Unterstützung – als betriebswirtschaftlicher Berater oder kritischer Gegenpart – und Entlastung des Beschaffungsmanagements bringt die Einrichtung einer eigenen Beschaffungscontrollingstelle mit sich.<br />
<br />
<br />
Eine allgemeingültige Empfehlung kann nicht gegeben werden, da die organisatorische Einbindung von den situativen Rahmenbedingungen eines Unternehmens, insbesondere von folgenden Kontextfaktoren, abhängt:<br />
<br />
<br />
die Höhe des Beschaffungsvolumens wie auch die Bedeutung der Beschaffung,<br />
<br />
die organisatorische Einordnung der Beschaffung in die Unternehmensorganisation,<br />
<br />
die Anzahl der Mitarbeiter in der Beschaffung und<br />
<br />
die Abgrenzung, welche beschaffungsrelevanten Tätigkeiten von der Beschaffung und welche von der Unternehmensführung wahrgenommen werden.<br />
<br />
<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
Halusa, M. (1996), Supply-Management-Controlling. Ein aktivitäts- und kooperationsorientierter Ansatz, Bamberg: Difo.<br />
<br />
Jahns, C. (2005), Supply Controlling. Diskussionen über den Zustand einer „Disziplin“, in: Controlling, Jg. 17, H. 6, S. 349-358.<br />
<br />
Jahns, C. (2005), Supply Management. Neue Perspektiven eines Managementansatzes für Einkauf und Supply, St. Gallen: SMG.<br />
<br />
Piontek, J. (2004), Beschaffungscontrolling, 3. Auflage, München; Wien: Oldenbourg.<br />
<br />
Reinschmidt, J. (1989), Beschaffungs-Controlling mit Kennzahlensystemen, Bergisch Gladbach; Köln: Eul.<br />
<br />
Schentler, P. (2008), Beschaffungscontrolling in der kundenindividuellen Massenproduktion, Graz: Leykam.<br />
<br />
Tschandl, M./Schentler, P. (2008), Beschaffungscontrolling - State of the Art, in: Tschandl, M./Bäck, S. (Hrsg.), Supply Chain Performance, Graz: Leykam, S. 3-32.<br />
<br />
Tschandl, Martin/Schentler, Peter/Kirschner, Bernd/Röhrle, Christoph (2007), Business Intelligence in der Beschaffung.<br />
Eine empirische Studie zu Nutzen und Grenzen bei österreichischen Unternehmen, in: WINGbusiness, 40, H. 4, S. 22-27.<br />
<br />
Wagner, S./Weber, J. (2007), Beschaffungscontrolling. Den Wertbeitrag der Beschaffung messen und optimieren, Weinheim: WILEY-VCH.<br />
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'''Stichwörter'''<br />
<br />
Beschaffung, Controlling, Einkaufscontrolling, Controllingkonzeption, Controllinginstrumente<br />
<br />
<br />
== Autoren ==<br />
<br />
<br />
Martin Tschandl,<br />
<br />
Peter Schentler</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Beschaffungscontrolling&diff=808Beschaffungscontrolling2010-02-15T10:56:13Z<p>87.178.85.190: /* Die Beschaffung – ein Überblick */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Die Beschaffung verändert sich von einer ''Preisoptimierungsfunktion'' zu einer ''Gewinnbeschaffungs- und Know-how-Transferfunktion''. Beschaffungscontrolling soll die verantwortlichen Entscheider im Unternehmen bei der Nutzung dieser Potenziale unterstützen. Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das über einen Controllingkreislauf (Planung, Kontrolle, Information) eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglicht. Es umfasst fünf Handlungsfelder: Material- und Güterflüsse, Lieferanten, Beschaffungsprogramm, Zahlungsströme und Beschaffungsbereich <br />
<br />
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== Die Beschaffung – ein Überblick ==<br />
<br />
<br />
Die Beschaffung hat sich zu einer strategisch relevanten ''Gewinnbeschaffungs-'' und ''Know-how-Transferfunktion'' mit großem Einfluss auf das Unternehmensergebnis entwickelt. Bei einer synonymen Verwendung von beschaffungsrelevanten Begriffen kann es für die Darstellung der Konzeption des Beschaffungscontrollings zu Missverständnissen und Unklarheiten kommen, weshalb ausgesuchte beschaffungsrelevante Termini unter Bezugnahme auf das SCOR-Modell des ''Supply Chain Council'' voneinander abgegrenzt werden. <br />
<br />
<br />
[[Bild:Abgrenzung.JPG]]<br />
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Abbildung 1: Abgrenzung beschaffungsrelevanter Begriffe anhand des SCOR-Modells (''Tschandl/Schentler 2008'')<br />
<br />
<br />
Unter ''Einkauf'' werden die operativen, abwickelnden Tätigkeiten zur Versorgung der Unternehmen mit den notwendigen Rohstoffen, Betriebs- und Hilfsmitteln, Anlagen und Dienstleistungen verstanden, also beispielsweise Angebotsvergleich, Preisverhandlungen oder Bestellung (vgl. Abbildung 1; der Einkauf deckt im Konzept des Supply Chain Council – Plan, Source, Make, Deliver, Return – den Bereich „Source“ ab). Der Begriff ''Beschaffung'' beinhaltet neben den operativen auch strategische einkaufsrelevante Tätigkeiten und hier vor allem die Sicherstellung der Versorgung. Die ''Materialwirtschaft'' berücksichtigt darüber hinausgehend den Prozess bis zur Bereitstellung an die Bedarfsträger im Unternehmen. Dazu zählt auch die (Zwischen-)Lagerung vor dem (nächsten) Produktionsschritt und die Produktionslogistik, nicht jedoch vertriebs- und entsorgungsbezogene Aspekte, die im weiter gefassten Konzept des ''Supply Managements'' – also sämtliche ''betriebliche'' Stoffstrom-, Produkt- und Dienstleistungsprozesse von den Lieferanten und an die Kunden (Transfer und Transaktion) – inkludiert sind. ''Supply Chain Management'' ist die Verbindung von Supply-Management-Systemen, also die Interaktion mit Kunden und Lieferanten entlang der gesamten Wertschöpfungskette von den Urproduzenten bis zu den Endverbrauchern, und kann auch mit Logistik im weiteren Sinn gleichgesetzt werden.<br />
<br />
== Konzeption des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die Verantwortung für die Erreichung notwendiger und/oder angepeilter Gewinnziele trägt die Unternehmensführung. Sie wird von der Funktion ''Controlling'' bei den Managementaufgaben – für Ziele sorgen, entscheiden, Ressourcen organisieren, kontrollieren und Mitarbeiter entwickeln – unterstützt und begleitet. Als zentralen Nutzen ermöglicht Controlling durch die zeitliche Unterteilung von Zielen (Planung), deren systematische Kontrolle und der Analyse von Abweichungen eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination eines Unternehmens (Unternehmens-/Finanzcontrolling) oder einzelner Teile und Funktionen („Bindestrich“-Controlling). Demnach soll ''Beschaffungscontrolling'' als ''eine'' Art der Bindestrich-Controllingarten – mit Bezug auf die Bedeutung der Beschaffung sowie mit Hilfe beschaffungsrelevanter Zielsetzungen, Strategien und Instrumente – die Beschaffungsverantwortlichen unterstützen, ihren Beitrag zum Unternehmenser-folg zu leisten. Durch die institutionalisierte Planung, Kontrolle und Informationsversorgung werden Effektivität und Effizienz in der Beschaffung erreicht, indem sowohl Kosten- und Nutzenpotenziale als auch Chancen und Risiken frühzeitig erkannt und in weiterer Folge aktiv gesteuert werden können.<br />
<br />
''Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das über einen Controllingkreislauf (Planung, Kontrolle, Information) eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglicht. Zusätzliche beratende Unterstützung der Beschaffungsführung soll rationale Entscheidungen sicherstellen und so die Reaktions- und Adaptionsfähigkeit erhöhen. Es stellt damit einen funktionsspezifisch ausgerichteten Bestandteil eines unternehmensweiten Controllings dar.''<br />
<br />
<br />
Eine ''Controllingkonzeption'' für die Beschaffung richtet sich an den Bedürfnissen der Beschaffungsführung aus, indem es (betriebswirtschaftlichen) Service und Entscheidungsunterstützung bietet, und so die effiziente und effektive Gestaltung der Versorgung eines Unternehmens sichert(siehe Abbildung 2).<br />
<br />
<br />
[[Bild:Konzeption des Beschaffungscontrollings.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 2: Konzeption des Beschaffungscontrollings (''Tschandl/Schentler 2008'')<br />
<br />
<br />
== Ziele des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die auf die spezifischen Anforderungen ausgerichteten Ziele des Controllings spiegeln sich in den direkten und die Ziele der Beschaffung in den indirekten Beschaffungs¬controllingzielen wider.<br />
<br />
Die ''direkten Ziele'' umfassen die Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit der Führung, damit diese in der Lage ist, die Unternehmensziele zu realisieren.<br />
<br />
Die ''indirekten Ziele'' stellen den erwünschten Zustand – in diesem Fall die Beschaffungsziele – dar, dessen Erreichung das Controlling herbeiführen soll:<br />
<br />
<br />
''Beschaffungskosten senken'': Die Beschaffungskosten umfassen Beschaffungsobjekt-, Beschaffungsprozess- und sonstige beschaffungsbezogene Kosten.<br />
<br />
''Beschaffungsqualität erhöhen'': Die Beschaffungsqualität stellt die Deckungsgleichheit zwischen geforderten und erhaltenen Anforderungen dar und umfasst Aspekte wie das Produkt selbst, Lieferort und Liefer-service. Die Qualität umfasst Leistungskonstanz (weniger Schwankungen) und/oder Leistungssteigerungen (bessere Leistungen).<br />
<br />
''Beschaffungszeit senken'': Die Beschaffungszeit stellt den Zeitraum dar, der für die Wiederbeschaffung benötigt wird.<br />
<br />
''Beschaffungsrisiko senken'': Beschaffungsrisiken entstehen durch die Abweichung der tatsächlichen von den geplanten Ereignissen in den Beschaffungsmärkten als auch im Beschaffungsbereich. Bei diesem Ziel geht es um die Reduktion von Risiken durch Risikostreuung und Störungsvermeidung.<br />
<br />
''Beschaffungsflexibilität erhöhen'': Die Beschaffungsflexibilität drückt den Handlungsspielraum eines Unternehmens im Hinblick auf ungeplante bzw. unplanbare Abweichungen aus, umfasst also Leistungs-, Mengen-, Zeit- und Ortsflexibilität. <br />
<br />
''Beschaffungsautonomie optimieren'': Die Autonomie bezieht sich auf die Abhängigkeit eines Unternehmens von seinen Zulieferern. Entsprechend den Anforderungen und Möglichkeiten der Beschaffungsobjekte ist eine zielgerichtete Steuerung notwendig.<br />
<br />
''Gemeinwohlorientierte Beschaffungsziele verfolgen'': Bei diesen Zielen stehen nicht die eigenen Interessen im Vordergrund, sondern das übergeordnete Wohl. Beispiele sind soziale oder ökologische Ziele.<br />
<br />
<br />
<br />
== Aufgaben des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Im '''Handlungsfeld Material- und Güterflüsse''' liegt das Hauptaugenmerk auf der Optimierung der Preise und Bestände bei gleichzeitiger Sicherstellung der Lieferbereitschaft, Lieferflexibilität, Materialqualität und Preisstabilität. Bei ''der strategischen Beschaffungsplanung und -kontrolle'' steht die Festlegung des strategischen Beschaffungsprogramms, also der Gesamtheit der art-, mengen-, termin- und qualitätsmäßig spezifizierten Beschaffungsobjekte, die zur Fertigung des strategischen Absatzprogramms eingesetzt werden sollen, im Vordergrund. Entsprechend den Unternehmens- und Bereichsstrategien sind die wichtigsten unternehmensinternen und -externen Einflussgrößen des strategischen Bedarfes sowie deren zukünftige Entwicklung zu erfassen und zu analysieren. Darauf aufbauend werden geeignete Beschaffungsstrategien – unter Berücksichtigung der Beschaffungsziele und interner und externer Rahmenbedingungen – ausgewählt. Die ''operative Beschaffungsplanung und -kontrolle'' baut auf einem durch das Produktions- und Absatzprogramm sowie durch die vorhandene Ausstattung des Produktionsbereiches bereits weitgehend art-, mengen- und qualitätsmäßig determinierten Materialbedarf auf. Es gilt die Bedarfe abzuleiten und zu planen, welche Beschaffungsobjekte in welcher Qualität zu welchen Terminen zu beschaffen sind. Der ''Steuerung der Bestände im Beschaffungsbereich'' kommt die Aufgabe der ergebniszielorientierten Gestaltung der Lagerbestände zu.<br />
<br />
Das zweite '''Handlungsfeld''' umfasst die '''Lieferanten'''. Das Controlling unterstützt das Management bei der ergebniszielorientierten Koordination der zwischenbe-trieblichen Beziehungen. Es muss „''Konzepte und Instrumente für eine effektive Koordination der Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und seinen Lieferanten ein- und umsetzen''.“ (''Wagner/Weber 2007'') Dabei stehen folgende Aufgaben im Mittelpunkt:<br />
<br />
die ''Planung und Kontrolle der Lieferantenstrategien'',<br />
<br />
die ''Lieferantenauswahl und -beurteilung'', inklusive der Messung der Performance der Zusammenarbeit mit den Lieferanten, und<br />
<br />
die ''Steuerung der Geschäftsbeziehung'' (Kooperationscontrolling).<br />
<br />
<br />
Das '''Handlungsfeld Beschaffungsprogramm''' umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle der zugekauften Materialien und Güter:<br />
<br />
<br />
Entscheidungen hinsichtlich der ''Festlegung der optimalen Fertigungstiefe'' (Make-or-Buy) müssen unterstützt werden, was auch den Umfang der zu beschaffenden Objekte beeinflusst. Ein Teil dieser Aufgabe ist das Ausfindigmachen von Potenzialen für In- und Outsourcing, indem die Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens den Angeboten auf dem Beschaffungsmarkt gegenübergestellt werden.<br />
<br />
Das Beschaffungscontrolling muss eine ''Steuerung der Beschaffungsobjektstruktur'' ermöglichen, indem Kosten und Nutzen der Beschaffungsobjekte transparent gemacht werden. Zusätzlich können durch eine gezielte Sortimentsgestaltung in der Beschaffung auch Vorteile durch die Mehrfachverwendung von Teilen und Materialien erkannt und realisiert werden.<br />
<br />
Ein weiteres Aufgabenfeld liegt im ''Aufzeigen potenzieller horizontaler Verbundeffekte'' und deren Auswirkung auf die Beschaffungsziele. Durch die Bündelung von Bedarfen innerhalb des Unternehmens und/oder über die Unternehmensgrenzen hinweg kann es zu Verbesserungen kommen.<br />
<br />
<br />
Das Management der Zahlungen zwischen dem Unternehmen und dessen Lieferanten trägt mitunter signifikant zum Unternehmensgewinn bei. Das '''Handlungsfeld Zahlungsströme''' soll deren Planung, ''Steuerung und Kontrolle'' sicherstellen. Dieses Handlungsfeld liegt an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Bereichen. Für die Vereinbarung der Zahlungsziele und die Vertragsgestaltung ist die Beschaffung verantwortlich, für die Bezahlung und das Ausnutzen der Skonti das Rechnungswesen. Schon bei der Vertragsgestaltung ist eine zielgerichtete Koordination notwendig, um das Spannungsfeld zwischen ausreichender Liquidität und hoher Rendite ausgleichen zu können. Auch dem Working Capital Tracking kommt eine große Bedeutung zu. Im Sinne einer liquiditätsorientierten Finanzplanung sind die voraussichtlichen Zahlungstermine zu budgetieren, damit – vonseiten der Finanzabteilung – die erforderlichen liquiden Mittel bereitgestellt werden können. Erfolgt eine solche Planung nicht, kann es zu höheren Kosten für kurzfristige Kredite, entgangenen Skonti, Liquiditätsschwierigkeiten und Imageverlusten bei Lieferanten kommen.<br />
Das Handlungsfeld Beschaffungsbereich fokussiert auf die Steuerung der Organisationseinheit Beschaffung. Die erste Aufgabe umfasst die ''Steuerung der Beschaffungsaktivitäten''. Aus strategischer Sicht geht es um die Frage, welche zukünftigen Aktivitäten für das Unternehmen eine Chance beinhalten, dauerhaft den Beitrag der Beschaffung zum Ergebnis zu steigern. Das umfasst folgende Aufgaben:<br />
<br />
<br />
Initiierung des strategischen Leitbildes der Beschaffung,<br />
<br />
Erstellung einer Stärken-Schwächen-Analyse der Beschaffungspoten-ziale,<br />
<br />
Entwicklung strategischer Beschaffungsziele,<br />
<br />
Institutionalisierung des strategischen Soll-Ist-Vergleiches und<br />
<br />
Vorbereitung von Steuerungsmaßnahmen für Zielabweichungen.<br />
<br />
<br />
Operativ steht die Steuerung des Inputfaktoreneinsatzes der in der Beschaffung durchgeführten Tätigkeiten im Vordergrund. Zusätzlich muss das Verhältnis der strategischen und operativen Tätigkeiten in der Beschaffung ausbalanciert werden.<br />
<br />
Bei der ''Performance-Messung des Beschaffungsbereiches'' ist zu beurteilen, welche Leistung bzw. welcher Ergebnisbeitrag und welche Kosten von der Beschaffungsabteilung verursacht werden. Bereichseffizienz (Kosten der Beschaffungsaktivitäten) und Beschaffungserfolg (Nutzen der Beschaffung) sind gegenüberzustellen, um eine ergebniszieloptimale Steuerung zu ermöglichen. Die Leistungsindikatoren können kosten-, qualitäts- und zeitbezogen ausgerichtet sein, wobei Effektivität als auch Effizienz betrachtet werden müssen.<br />
<br />
Es sei erwähnt, dass nachdem die Kosten einer Leistung zu einem großen Teil bereits in der Entwicklung festgelegt werden, auch im Produktentstehungszyklus die Einbindung der Beschaffung und des Beschaffungscontrollings sinnvoll ist. Auch nach dem Ende der Produktion (Nachsorgezyklus) gibt es im Hinblick auf Gewährleistung und Ersatzteilversorgung Anforderungen an die Beschaffung, die Berücksichtigung finden müssen.<br />
<br />
<br />
== Instrumente des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Die Instrumente des Controllings umfassen alle ideellen (Methoden, Modelle, Verfahren, Techniken) als auch realen Hilfsmittel (beispielsweise Informationstechnologien), die durch ihre Anwendung die Erfüllung der Aufgaben des Controllings unterstützen. Nahezu der gesamte Umfang betriebswirtschaftlicher Methoden gehört auch zum Instrumentarium des Controllings.<br />
<br />
„''Als Instrumente des Beschaffungs-Controlling sind solche betriebswirtschaftlichen Verfahren, Methoden und Techniken anzusehen, die zur zweckadäquaten Wahrnehmung der beschaffungswirtschaftlichen Controlling-Funktionen erforderlich sind.''“ (Reinschmidt 1989) Zur Erfüllung der Aufgaben in den genannten Handlungsfeldern ergibt sich eine Vielzahl an möglichen bzw. einsetzbaren Instrumenten. Einen Überblick über den Praxiseinsatz ausgesuchter Instrumente gibt eine aktuelle Studie (siehe Abbildung 3).<br />
<br />
<br />
[[Bild:In_der_Beschaffung_eingesetzte_Controllinginstrumente.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 3: In der Beschaffung eingesetzte Controllinginstrumente (Wagner/Weber 2007)<br />
<br />
<br />
Es ist nicht immer sinnvoll und möglich, den gesamten Umfang an Instrumenten einzusetzen. Welche geeignet sind, hängt von unterschiedlichen internen und externen Einflussgrößen wie den situativen Anforderungen der Verwendung, dem Entwicklungsstand des Controllings und dem Führungsverhalten des Unternehmens ab. Es geht also um eine inhaltlich und unternehmenskulturelle fundierte Auswahl (und gegebenenfalls Anpassung) der Controllinginstrumente.<br />
<br />
In Abbildung sind 50 wesentliche Instrumente aufgelistet.<br />
<br />
<br />
[[Bild:50_wesentliche_Instrumente_im_Beschaffungscontrolling.JPG]]<br />
<br />
Abbildung 4: 50 wesentliche Instrumente im Beschaffungscontrolling (Tschandl/Schentler 2008).<br />
<br />
<br />
<br />
== Organisation des Beschaffungscontrollings ==<br />
<br />
<br />
Bei der Beschaffungscontrollingorganisation handelt es sich um die aufbauorganisatorisch definierten Personen, die Träger der Aufgaben des Beschaffungscontrollings sowie der zugehörigen Kompetenzen sind. Wie auch das Unternehmenscontrolling ergibt sich das Beschaffungscontrolling aus dem Zusammenspiel mehrerer Personen, die nicht unbedingt Controller sein müssen. Die Inhaber der Beschaffungscontrollingfunktion sind für die Existenz der Planungsinstrumente und für die Durchführung der Planung verantwortlich, die Inhalte werden hingegen von den Führungskräften beigesteuert.<br />
<br />
Beschaffungscontrolling setzt nicht die Existenz einer eigenen Beschaffungscontrollingstelle im Unternehmen voraus. Die Controllingtätigkeiten werden häufig von Mitarbeitern der Beschaffung, dem Beschaffungsmanagement oder vom Unternehmenscontrolling ausgeführt. Folgende Argumente sprechen für bzw. gegen die Einrichtung eigener Beschaffungscontrollingstellen:<br />
<br />
<br />
Der potenzielle Aufgabenumfang reicht mitunter nicht aus, um unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsaspekten die Einrichtung einer entsprechenden Stelle zu rechtfertigen.<br />
<br />
Einige Autoren empfehlen hingegen aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Beschaffung die Institutionalisierung einer organisatorischen Einheit für das Beschaffungscontrolling, da die Controllingaufgaben nur effektiv durchgeführt werden können, wenn eine eindeutige Zuordnung der Verantwortung vorliegt. Auch die Forderung nach Unterstützung – als betriebswirtschaftlicher Berater oder kritischer Gegenpart – und Entlastung des Beschaffungsmanagements bringt die Einrichtung einer eigenen Beschaffungscontrollingstelle mit sich.<br />
<br />
<br />
Eine allgemeingültige Empfehlung kann nicht gegeben werden, da die organisatorische Einbindung von den situativen Rahmenbedingungen eines Unternehmens, insbesondere von folgenden Kontextfaktoren, abhängt:<br />
<br />
<br />
die Höhe des Beschaffungsvolumens wie auch die Bedeutung der Beschaffung,<br />
<br />
die organisatorische Einordnung der Beschaffung in die Unternehmensorganisation,<br />
<br />
die Anzahl der Mitarbeiter in der Beschaffung und<br />
<br />
die Abgrenzung, welche beschaffungsrelevanten Tätigkeiten von der Beschaffung und welche von der Unternehmensführung wahrgenommen werden.<br />
<br />
<br />
<br />
== Literatur ==<br />
<br />
Halusa, M. (1996), Supply-Management-Controlling. Ein aktivitäts- und kooperationsorientierter Ansatz, Bamberg: Difo.<br />
<br />
Jahns, C. (2005), Supply Controlling. Diskussionen über den Zustand einer „Disziplin“, in: Controlling, Jg. 17, H. 6, S. 349-358.<br />
<br />
Jahns, C. (2005), Supply Management. Neue Perspektiven eines Managementansatzes für Einkauf und Supply, St. Gallen: SMG.<br />
<br />
Piontek, J. (2004), Beschaffungscontrolling, 3. Auflage, München; Wien: Oldenbourg.<br />
<br />
Reinschmidt, J. (1989), Beschaffungs-Controlling mit Kennzahlensystemen, Bergisch Gladbach; Köln: Eul.<br />
<br />
Schentler, P. (2008), Beschaffungscontrolling in der kundenindividuellen Massenproduktion, Graz: Leykam.<br />
<br />
Tschandl, M./Schentler, P. (2008), Beschaffungscontrolling - State of the Art, in: Tschandl, M./Bäck, S. (Hrsg.), Supply Chain Performance, Graz: Leykam, S. 3-32.<br />
<br />
Tschandl, Martin/Schentler, Peter/Kirschner, Bernd/Röhrle, Christoph (2007), Business Intelligence in der Beschaffung.<br />
Eine empirische Studie zu Nutzen und Grenzen bei österreichischen Unternehmen, in: WINGbusiness, 40, H. 4, S. 22-27.<br />
<br />
Wagner, S./Weber, J. (2007), Beschaffungscontrolling. Den Wertbeitrag der Beschaffung messen und optimieren, Weinheim: WILEY-VCH.<br />
<br />
<br />
'''Stichwörter'''<br />
<br />
Beschaffung, Controlling, Einkaufscontrolling, Controllingkonzeption, Controllinginstrumente<br />
<br />
<br />
== Autoren ==<br />
<br />
<br />
Martin Tschandl,<br />
<br />
Peter Schentler</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Beraterrollen&diff=805Beraterrollen2010-02-15T09:27:33Z<p>87.178.85.190: /* Unterscheidungskriterien zwischen Experten- und Prozessberatung */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Grundsätzlich kann bei der Beratung von Organisationen zwischen der Experten- und der Prozessberatung unterschieden werden. Diese Einteilung kann durch die Aufteilung in sogenannte Beraterrollen weiter differenziert werden. Vorteil der Arbeit mit diesen Konzepten ist eine genauere Anpassung des Beraterverständnisses und der Arbeitsweise an die spezifischen Anforderungen des Beratungsprojekts. Ziel der genaueren Anpassung ist die Vermeidung von Missverständnissen bezüglich des Beratungsgegenstands/Beratungsziels, die Reduzierung von Fehlberatungen und damit die Steigerung des Beratungserfolgs.<br />
<br />
<br />
<br />
== Der Einfluss des Rollenverständnisses des Beraters auf den Beratungsprozess ==<br />
<br />
<br />
Viele Unternehmensberater sind Spezialisten für die Lösung technischer oder betriebswirtschaftliche Probleme und verfügen über ein sehr individuelles Wissensportfolio. Ihr Beratungswissen haben sie sich in der Regel bei der Durchführung von Beratungsprojekten angeeignet. Da sie jedoch keine Beratungsspezialisten sind, besteht das Risiko, dass sie den eigentlichen Beratungsprozess unterschätzen und nicht ausreichend steuern können (''König & Volmer 2000: 50f.''). <br />
<br />
In der Regel ist weder bei Beratern noch bei Klienten ein eindeutiges Verständnis der Abgrenzung von Beratungsformen zu finden. Die überwiegend nachgefragte Expertenberatung beinhaltet die Gefahr, dass damit nur die offen zu Tage tretenden Symptome bekämpft werden (''Kailer & Walger 2000: 57''). Fatzer (''2004: 427'') macht für das Scheitern vieler Beratungsprojekte die mangelnden Kenntnisse von Expertenberatern bezüglich der prozessualen Aspekte von Veränderungsprojekten verantwortlich. Diese Hypothese wird von weiteren Autoren gestützt (''König & Volmer 2000: 46ff.'').<br />
<br />
== Unterscheidungskriterien zwischen Experten- und Prozessberatung ==<br />
<br />
<br />
'''Expertenberatung'''<br />
<br />
Eine Expertenberatung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf die sogenannte „harte Wirklichkeit“ bezieht. Kennzeichnend für die harte Wirklichkeit ist, dass für diese klare Regeln existieren oder entwickelt werden können (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f.''). <br />
Eine Expertenberatung ist weiterhin durch die Delegation des Problems durch das Kundensystem an den Berater gekennzeichnet. <br />
<br />
Drei kritische Faktoren beeinflussen den Erfolg einer Expertenberatung: <br />
<br />
'''Erstens''' muss das Problem durch den Kunden eindeutig beschrieben und vollständig an den Berater kommuniziert sein.<br />
<br />
'''Zweitens''' dürfen während des Beratungsprozesses keine zusätzlichen Nebenwirkungen durch die Beratung entstehen. <br />
<br />
Und '''drittens''' sind komplexe Probleme von außen nicht eindeutig zu erfassen und zu lösen (''König & Volmer 2000: 46ff.''). <br />
<br />
Beispiele für eine sachbezogene Expertenberatung sind juristische Beratung, technische Beratung oder Steuerberatung (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f''.). <br />
<br />
<br />
'''Prozessberatung'''<br />
<br />
Bei der Prozessberatung steht die sogenannte „weiche Wirklichkeit“ im Mittelpunkt. Es geht es um die Betrachtung von Systemen und deren Veränderungsmöglichkeiten (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f.''). In diesem Fall unterstützt der Berater den Kunden bei der Erarbeitung einer eigenen Lösung. Während des gesamten Beratungsprozesses bleibt das Problem in der Verantwortung des Klientensystems (''König & Volmer 2000: 46ff''.). <br />
<br />
<br />
[[Bild:Beratungsart.JPG]]<br />
<br />
Übersicht: Zusammenfassung der Schwerpunkte (eigene Darstellung)<br />
<br />
<br />
Die Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung wurde in der betriebswirtschaftlich ausgerichteten Beratung nach Meinung von König und Volmer (''2000: 46ff.'') kaum aufgenommen. Beide Beratungsformen werden häufig vermischt.<br />
<br />
== Die Bedeutung von Beraterrollen ==<br />
<br />
<br />
Im engen Zusammenhang mit den Begriffen der Experten- und Prozessberatung steht das Konzept der Beraterrollen. Die Beraterrollen bieten eine noch stärkere Differenzierung des Beraterverhaltens an. <br />
<br />
Lippitt & Lippitt beschreiben ein Modell, das die Rollen des Beraters während eines Beratungsprozesses anzeigt und an einer Skala von nicht-direktiv zu direktiv misst: <br />
<br />
<br />
[[Bild:Abbildung_Beraterrollen.JPG]]<br />
<br />
Abbildung Beraterrollen (''Lippitt & Lippitt 1999: 84'')<br />
<br />
<br />
''Die Autoren (ebd.) bieten dem Berater neun mögliche Rollen an.''<br />
<br />
Die Rolle des Beobachters ist auf das Stellen von Fragen beschränkt; <br />
<br />
der Prozessberater darf schon Feedback geben; <br />
<br />
der Faktenermittler fordert zur Interpretation der von ihm gesammelten Daten auf; <br />
<br />
der Erkenner von Alternativen schlägt Alternativen vor und berät den Klienten bei deren Auswahl; <br />
<br />
der Mitarbeiter an Problemlösungen entscheidet mit; <br />
<br />
der Trainer schult den Klienten; <br />
<br />
der Experte prüft Lösungen auf Basis seiner Fachkompetenz und liefert Informationen; <br />
<br />
der Advokat übernimmt die Verantwortung für den Problemlösungsprozess und überredet den Klienten, falls nötig, zur Akzeptanz seiner Vorschläge.<br />
<br />
== Fazit ==<br />
<br />
<br />
Bei fehlender Übereinstimmung zwischen der vom Berater angebotenen und der vom Kunden gewünschten Beratungsart oder der Vermischung von Beraterrollen können Kommunikationsdefizite oder Konflikte entstehen. Dadurch kann der Beratungserfolg gefährdet werden.<br />
<br />
Durch die Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung wird eine erste Differenzierung für das Vorgehen in einem Beratungsprojekt möglich. Diese Differenzierung kann durch das Rollenmodell weiter angepasst werden. Es lohnt sich also, sich mit diesem Thema bei der Auftragsklärung und Abwicklung zu beschäftigen, um den Beratungserfolg zu unterstützen.<br />
<br />
Nach Wick (''2000: 173 ff.'') steht bei den von KMU-Unternehmen gewünschten Beraterrollen die des Problemlöser an erster Stelle, gefolgt von der des Prozessberaters und des neutralen Dritten (''Entscheidungshelfer''). <br />
<br />
<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<br />
<br />
Backhausen, Wilhelm; Thommen, Jean-Paul: Coaching, durch systemisches Denken zu innovativer Personalentwicklung. Wiesbaden, Gabler 2003<br />
<br />
König, Eckard; Volmer, Gerda: Systemische Organisationsberatung, Grundlagen und Methoden. Weinheim, Dt. Studien-Verlag, 2000<br />
<br />
Lippitt Gordon L.; & Lippitt Ronald: Beratung als Prozess, was Berater und ihre Kunden wissen sollten. Leonberg, Rosenberger Fachverlag, 1999<br />
<br />
Wick, Veronika: Mittelständische Unternehmen und ihre Berater, ein netzwerkorientiertes Konzept der Nutzung von externen Beratungsleistungen. St. Gallen, Univ., Diss., 2000<br />
<br />
<br />
'''Schlagwörter''': Unternehmensberatung, Beraterrollen, Beratungserfolg<br />
<br />
<br />
<br />
== Autorin ==<br />
<br />
<br />
Jutta Strake</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Beraterrollen&diff=804Beraterrollen2010-02-15T09:24:34Z<p>87.178.85.190: /* Der Einfluss des Rollenverständnisses des Beraters auf den Beratungsprozess */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Grundsätzlich kann bei der Beratung von Organisationen zwischen der Experten- und der Prozessberatung unterschieden werden. Diese Einteilung kann durch die Aufteilung in sogenannte Beraterrollen weiter differenziert werden. Vorteil der Arbeit mit diesen Konzepten ist eine genauere Anpassung des Beraterverständnisses und der Arbeitsweise an die spezifischen Anforderungen des Beratungsprojekts. Ziel der genaueren Anpassung ist die Vermeidung von Missverständnissen bezüglich des Beratungsgegenstands/Beratungsziels, die Reduzierung von Fehlberatungen und damit die Steigerung des Beratungserfolgs.<br />
<br />
<br />
<br />
== Der Einfluss des Rollenverständnisses des Beraters auf den Beratungsprozess ==<br />
<br />
<br />
Viele Unternehmensberater sind Spezialisten für die Lösung technischer oder betriebswirtschaftliche Probleme und verfügen über ein sehr individuelles Wissensportfolio. Ihr Beratungswissen haben sie sich in der Regel bei der Durchführung von Beratungsprojekten angeeignet. Da sie jedoch keine Beratungsspezialisten sind, besteht das Risiko, dass sie den eigentlichen Beratungsprozess unterschätzen und nicht ausreichend steuern können (''König & Volmer 2000: 50f.''). <br />
<br />
In der Regel ist weder bei Beratern noch bei Klienten ein eindeutiges Verständnis der Abgrenzung von Beratungsformen zu finden. Die überwiegend nachgefragte Expertenberatung beinhaltet die Gefahr, dass damit nur die offen zu Tage tretenden Symptome bekämpft werden (''Kailer & Walger 2000: 57''). Fatzer (''2004: 427'') macht für das Scheitern vieler Beratungsprojekte die mangelnden Kenntnisse von Expertenberatern bezüglich der prozessualen Aspekte von Veränderungsprojekten verantwortlich. Diese Hypothese wird von weiteren Autoren gestützt (''König & Volmer 2000: 46ff.'').<br />
<br />
== Unterscheidungskriterien zwischen Experten- und Prozessberatung ==<br />
<br />
<br />
Expertenberatung<br />
Eine Expertenberatung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf die sogenannte „harte Wirklichkeit“ bezieht. Kennzeichnend für die harte Wirklichkeit ist, dass für diese klare Regeln existieren oder entwickelt werden können (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f.''). <br />
Eine Expertenberatung ist weiterhin durch die Delegation des Problems durch das Kundensystem an den Berater gekennzeichnet. <br />
<br />
Drei kritische Faktoren beeinflussen den Erfolg einer Expertenberatung: <br />
<br />
'''Erstens''' muss das Problem durch den Kunden eindeutig beschrieben und vollständig an den Berater kommuniziert sein.<br />
<br />
'''Zweitens''' dürfen während des Beratungsprozesses keine zusätzlichen Nebenwirkungen durch die Beratung entstehen. <br />
<br />
Und '''drittens''' sind komplexe Probleme von außen nicht eindeutig zu erfassen und zu lösen (''König & Volmer 2000: 46ff.''). <br />
<br />
Beispiele für eine sachbezogene Expertenberatung sind juristische Beratung, technische Beratung oder Steuerberatung (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f''.). <br />
<br />
<br />
'''Prozessberatung'''<br />
<br />
<br />
Bei der Prozessberatung steht die sogenannte „weiche Wirklichkeit“ im Mittelpunkt. Es geht es um die Betrachtung von Systemen und deren Veränderungsmöglichkeiten (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f.''). In diesem Fall unterstützt der Berater den Kunden bei der Erarbeitung einer eigenen Lösung. Während des gesamten Beratungsprozesses bleibt das Problem in der Verantwortung des Klientensystems (''König & Volmer 2000: 46ff''.). <br />
<br />
<br />
[[Bild:Beratungsart.JPG]]<br />
<br />
Übersicht: Zusammenfassung der Schwerpunkte (eigene Darstellung)<br />
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<br />
Die Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung wurde in der betriebswirtschaftlich ausgerichteten Beratung nach Meinung von König und Volmer (''2000: 46ff.'') kaum aufgenommen. Beide Beratungsformen werden häufig vermischt.<br />
<br />
<br />
<br />
== Die Bedeutung von Beraterrollen ==<br />
<br />
<br />
Im engen Zusammenhang mit den Begriffen der Experten- und Prozessberatung steht das Konzept der Beraterrollen. Die Beraterrollen bieten eine noch stärkere Differenzierung des Beraterverhaltens an. <br />
<br />
Lippitt & Lippitt beschreiben ein Modell, das die Rollen des Beraters während eines Beratungsprozesses anzeigt und an einer Skala von nicht-direktiv zu direktiv misst: <br />
<br />
<br />
[[Bild:Abbildung_Beraterrollen.JPG]]<br />
<br />
Abbildung Beraterrollen (''Lippitt & Lippitt 1999: 84'')<br />
<br />
<br />
''Die Autoren (ebd.) bieten dem Berater neun mögliche Rollen an.''<br />
<br />
Die Rolle des Beobachters ist auf das Stellen von Fragen beschränkt; <br />
<br />
der Prozessberater darf schon Feedback geben; <br />
<br />
der Faktenermittler fordert zur Interpretation der von ihm gesammelten Daten auf; <br />
<br />
der Erkenner von Alternativen schlägt Alternativen vor und berät den Klienten bei deren Auswahl; <br />
<br />
der Mitarbeiter an Problemlösungen entscheidet mit; <br />
<br />
der Trainer schult den Klienten; <br />
<br />
der Experte prüft Lösungen auf Basis seiner Fachkompetenz und liefert Informationen; <br />
<br />
der Advokat übernimmt die Verantwortung für den Problemlösungsprozess und überredet den Klienten, falls nötig, zur Akzeptanz seiner Vorschläge.<br />
<br />
== Fazit ==<br />
<br />
<br />
Bei fehlender Übereinstimmung zwischen der vom Berater angebotenen und der vom Kunden gewünschten Beratungsart oder der Vermischung von Beraterrollen können Kommunikationsdefizite oder Konflikte entstehen. Dadurch kann der Beratungserfolg gefährdet werden.<br />
<br />
Durch die Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung wird eine erste Differenzierung für das Vorgehen in einem Beratungsprojekt möglich. Diese Differenzierung kann durch das Rollenmodell weiter angepasst werden. Es lohnt sich also, sich mit diesem Thema bei der Auftragsklärung und Abwicklung zu beschäftigen, um den Beratungserfolg zu unterstützen.<br />
<br />
Nach Wick (''2000: 173 ff.'') steht bei den von KMU-Unternehmen gewünschten Beraterrollen die des Problemlöser an erster Stelle, gefolgt von der des Prozessberaters und des neutralen Dritten (''Entscheidungshelfer''). <br />
<br />
<br />
<br />
== Quellen ==<br />
<br />
<br />
Backhausen, Wilhelm; Thommen, Jean-Paul: Coaching, durch systemisches Denken zu innovativer Personalentwicklung. Wiesbaden, Gabler 2003<br />
<br />
König, Eckard; Volmer, Gerda: Systemische Organisationsberatung, Grundlagen und Methoden. Weinheim, Dt. Studien-Verlag, 2000<br />
<br />
Lippitt Gordon L.; & Lippitt Ronald: Beratung als Prozess, was Berater und ihre Kunden wissen sollten. Leonberg, Rosenberger Fachverlag, 1999<br />
<br />
Wick, Veronika: Mittelständische Unternehmen und ihre Berater, ein netzwerkorientiertes Konzept der Nutzung von externen Beratungsleistungen. St. Gallen, Univ., Diss., 2000<br />
<br />
<br />
'''Schlagwörter''': Unternehmensberatung, Beraterrollen, Beratungserfolg<br />
<br />
<br />
<br />
== Autorin ==<br />
<br />
<br />
Jutta Strake</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Beraterrollen&diff=803Beraterrollen2010-02-15T09:19:30Z<p>87.178.85.190: /* Der Einfluss des Rollenverständnisses des Beraters auf den Beratungsprozess */</p>
<hr />
<div>== Zusammenfassung ==<br />
<br />
<br />
Grundsätzlich kann bei der Beratung von Organisationen zwischen der Experten- und der Prozessberatung unterschieden werden. Diese Einteilung kann durch die Aufteilung in sogenannte Beraterrollen weiter differenziert werden. Vorteil der Arbeit mit diesen Konzepten ist eine genauere Anpassung des Beraterverständnisses und der Arbeitsweise an die spezifischen Anforderungen des Beratungsprojekts. Ziel der genaueren Anpassung ist die Vermeidung von Missverständnissen bezüglich des Beratungsgegenstands/Beratungsziels, die Reduzierung von Fehlberatungen und damit die Steigerung des Beratungserfolgs.<br />
<br />
<br />
<br />
== Der Einfluss des Rollenverständnisses des Beraters auf den Beratungsprozess ==<br />
<br />
<br />
Viele Unternehmensberater sind Spezialisten für die Lösung technischer oder betriebswirtschaftliche Probleme und verfügen über ein sehr individuelles Wissensportfolio. Ihr Beratungswissen haben sie sich in der Regel bei der Durchführung von Beratungsprojekten angeeignet. Da sie jedoch keine Beratungsspezialisten sind, besteht das Risiko, dass sie Beratungsprozesse unterschätzen und nicht ausreichend steuern können (''König & Volmer 2000: 50f.''). <br />
<br />
In der Regel ist weder bei Beratern noch bei Klienten ein eindeutiges Verständnis der Abgrenzung von Beratungsformen zu finden. Die überwiegend nachgefragte Expertenberatung beinhaltet die Gefahr, dass damit nur die offen zu Tage tretenden Symptome bekämpft werden (''Kailer & Walger 2000: 57''). Fatzer (''2004: 427'') macht für das Scheitern vieler Beratungsprjekte die mangelnden Kenntnisse von Expertenberatern bezüglich der prozessualen Aspekte von Veränderungsprojekten verantwortlich. Diese Hypothese wird von weiteren Autoren gestützt (''König & Volmer 2000: 46ff.'').<br />
<br />
== Unterscheidungskriterien zwischen Experten- und Prozessberatung ==<br />
<br />
<br />
Expertenberatung<br />
Eine Expertenberatung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf die sogenannte „harte Wirklichkeit“ bezieht. Kennzeichnend für die harte Wirklichkeit ist, dass für diese klare Regeln existieren oder entwickelt werden können (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f.''). <br />
Eine Expertenberatung ist weiterhin durch die Delegation des Problems durch das Kundensystem an den Berater gekennzeichnet. <br />
<br />
Drei kritische Faktoren beeinflussen den Erfolg einer Expertenberatung: <br />
<br />
'''Erstens''' muss das Problem durch den Kunden eindeutig beschrieben und vollständig an den Berater kommuniziert sein.<br />
<br />
'''Zweitens''' dürfen während des Beratungsprozesses keine zusätzlichen Nebenwirkungen durch die Beratung entstehen. <br />
<br />
Und '''drittens''' sind komplexe Probleme von außen nicht eindeutig zu erfassen und zu lösen (''König & Volmer 2000: 46ff.''). <br />
<br />
Beispiele für eine sachbezogene Expertenberatung sind juristische Beratung, technische Beratung oder Steuerberatung (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f''.). <br />
<br />
<br />
'''Prozessberatung'''<br />
<br />
<br />
Bei der Prozessberatung steht die sogenannte „weiche Wirklichkeit“ im Mittelpunkt. Es geht es um die Betrachtung von Systemen und deren Veränderungsmöglichkeiten (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f.''). In diesem Fall unterstützt der Berater den Kunden bei der Erarbeitung einer eigenen Lösung. Während des gesamten Beratungsprozesses bleibt das Problem in der Verantwortung des Klientensystems (''König & Volmer 2000: 46ff''.). <br />
<br />
<br />
[[Bild:Beratungsart.JPG]]<br />
<br />
Übersicht: Zusammenfassung der Schwerpunkte (eigene Darstellung)<br />
<br />
<br />
Die Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung wurde in der betriebswirtschaftlich ausgerichteten Beratung nach Meinung von König und Volmer (''2000: 46ff.'') kaum aufgenommen. Beide Beratungsformen werden häufig vermischt.<br />
<br />
<br />
<br />
== Die Bedeutung von Beraterrollen ==<br />
<br />
<br />
Im engen Zusammenhang mit den Begriffen der Experten- und Prozessberatung steht das Konzept der Beraterrollen. Die Beraterrollen bieten eine noch stärkere Differenzierung des Beraterverhaltens an. <br />
<br />
Lippitt & Lippitt beschreiben ein Modell, das die Rollen des Beraters während eines Beratungsprozesses anzeigt und an einer Skala von nicht-direktiv zu direktiv misst: <br />
<br />
<br />
[[Bild:Abbildung_Beraterrollen.JPG]]<br />
<br />
Abbildung Beraterrollen (''Lippitt & Lippitt 1999: 84'')<br />
<br />
<br />
''Die Autoren (ebd.) bieten dem Berater neun mögliche Rollen an.''<br />
<br />
Die Rolle des Beobachters ist auf das Stellen von Fragen beschränkt; <br />
<br />
der Prozessberater darf schon Feedback geben; <br />
<br />
der Faktenermittler fordert zur Interpretation der von ihm gesammelten Daten auf; <br />
<br />
der Erkenner von Alternativen schlägt Alternativen vor und berät den Klienten bei deren Auswahl; <br />
<br />
der Mitarbeiter an Problemlösungen entscheidet mit; <br />
<br />
der Trainer schult den Klienten; <br />
<br />
der Experte prüft Lösungen auf Basis seiner Fachkompetenz und liefert Informationen; <br />
<br />
der Advokat übernimmt die Verantwortung für den Problemlösungsprozess und überredet den Klienten, falls nötig, zur Akzeptanz seiner Vorschläge.<br />
<br />
== Fazit ==<br />
<br />
<br />
Bei fehlender Übereinstimmung zwischen der vom Berater angebotenen und der vom Kunden gewünschten Beratungsart oder der Vermischung von Beraterrollen können Kommunikationsdefizite oder Konflikte entstehen. Dadurch kann der Beratungserfolg gefährdet werden.<br />
<br />
Durch die Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung wird eine erste Differenzierung für das Vorgehen in einem Beratungsprojekt möglich. Diese Differenzierung kann durch das Rollenmodell weiter angepasst werden. Es lohnt sich also, sich mit diesem Thema bei der Auftragsklärung und Abwicklung zu beschäftigen, um den Beratungserfolg zu unterstützen.<br />
<br />
Nach Wick (''2000: 173 ff.'') steht bei den von KMU-Unternehmen gewünschten Beraterrollen die des Problemlöser an erster Stelle, gefolgt von der des Prozessberaters und des neutralen Dritten (''Entscheidungshelfer''). <br />
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== Quellen ==<br />
<br />
<br />
Backhausen, Wilhelm; Thommen, Jean-Paul: Coaching, durch systemisches Denken zu innovativer Personalentwicklung. Wiesbaden, Gabler 2003<br />
<br />
König, Eckard; Volmer, Gerda: Systemische Organisationsberatung, Grundlagen und Methoden. Weinheim, Dt. Studien-Verlag, 2000<br />
<br />
Lippitt Gordon L.; & Lippitt Ronald: Beratung als Prozess, was Berater und ihre Kunden wissen sollten. Leonberg, Rosenberger Fachverlag, 1999<br />
<br />
Wick, Veronika: Mittelständische Unternehmen und ihre Berater, ein netzwerkorientiertes Konzept der Nutzung von externen Beratungsleistungen. St. Gallen, Univ., Diss., 2000<br />
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'''Schlagwörter''': Unternehmensberatung, Beraterrollen, Beratungserfolg<br />
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<br />
== Autorin ==<br />
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Jutta Strake</div>87.178.85.190https://www.controlling-wiki.com/de/index.php?title=Beraterrollen&diff=801Beraterrollen2010-02-15T09:12:47Z<p>87.178.85.190: /* Der Einfluss des Rollenverständnisses des Beraters auf den Beratungsprozess */</p>
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<div>== Zusammenfassung ==<br />
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Grundsätzlich kann bei der Beratung von Organisationen zwischen der Experten- und der Prozessberatung unterschieden werden. Diese Einteilung kann durch die Aufteilung in sogenannte Beraterrollen weiter differenziert werden. Vorteil der Arbeit mit diesen Konzepten ist eine genauere Anpassung des Beraterverständnisses und der Arbeitsweise an die spezifischen Anforderungen des Beratungsprojekts. Ziel der genaueren Anpassung ist die Vermeidung von Missverständnissen bezüglich des Beratungsgegenstands/Beratungsziels, die Reduzierung von Fehlberatungen und damit die Steigerung des Beratungserfolgs.<br />
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== Der Einfluss des Rollenverständnisses des Beraters auf den Beratungsprozess ==<br />
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Viele Unternehmensberater sind Spezialisten für die Lösung technischer oder betriebswirtschaftliche Probleme und verfügen über ein sehr individuelles Wissensportfolio. Ihr Beratungswissen haben sie sich in der Regel bei der Durchführung von Beratungsprozessen angeeignet. Da sie jedoch keine Beratungsspezialisten sind, besteht das Risiko, dass sie Beratungsprozesse unterschätzen und nicht ausreichend steuern können (''König & Volmer 2000: 50f.''). <br />
<br />
In der Regel ist weder bei Beratern noch bei Klienten ein eindeutiges Verständnis der Abgrenzung von Beratungsformen zu finden. Die überwiegend nachgefragte Expertenberatung beinhaltete die Gefahr, dass damit nur die offen zu Tage tretenden Symptome bekämpft werden (''Kailer & Walger 2000: 57''). Fatzer (''2004: 427'') macht für das Scheitern vieler Beratungsprozesse die mangelnden Kenntnisse von Expertenberatern bezüglich der prozessualen Aspekte von Veränderungsprojekten verantwortlich. Diese Hypothese wird von weiteren Autoren gestützt (''König & Volmer 2000: 46ff.'').<br />
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== Unterscheidungskriterien zwischen Experten- und Prozessberatung ==<br />
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Expertenberatung<br />
Eine Expertenberatung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf die sogenannte „harte Wirklichkeit“ bezieht. Kennzeichnend für die harte Wirklichkeit ist, dass für diese klare Regeln existieren oder entwickelt werden können (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f.''). <br />
Eine Expertenberatung ist weiterhin durch die Delegation des Problems durch das Kundensystem an den Berater gekennzeichnet. <br />
<br />
Drei kritische Faktoren beeinflussen den Erfolg einer Expertenberatung: <br />
<br />
'''Erstens''' muss das Problem durch den Kunden eindeutig beschrieben und vollständig an den Berater kommuniziert sein.<br />
<br />
'''Zweitens''' dürfen während des Beratungsprozesses keine zusätzlichen Nebenwirkungen durch die Beratung entstehen. <br />
<br />
Und '''drittens''' sind komplexe Probleme von außen nicht eindeutig zu erfassen und zu lösen (''König & Volmer 2000: 46ff.''). <br />
<br />
Beispiele für eine sachbezogene Expertenberatung sind juristische Beratung, technische Beratung oder Steuerberatung (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f''.). <br />
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<br />
'''Prozessberatung'''<br />
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<br />
Bei der Prozessberatung steht die sogenannte „weiche Wirklichkeit“ im Mittelpunkt. Es geht es um die Betrachtung von Systemen und deren Veränderungsmöglichkeiten (''Backhausen & Thommen 2003: 32f., 104f.''). In diesem Fall unterstützt der Berater den Kunden bei der Erarbeitung einer eigenen Lösung. Während des gesamten Beratungsprozesses bleibt das Problem in der Verantwortung des Klientensystems (''König & Volmer 2000: 46ff''.). <br />
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[[Bild:Beratungsart.JPG]]<br />
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Übersicht: Zusammenfassung der Schwerpunkte (eigene Darstellung)<br />
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Die Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung wurde in der betriebswirtschaftlich ausgerichteten Beratung nach Meinung von König und Volmer (''2000: 46ff.'') kaum aufgenommen. Beide Beratungsformen werden häufig vermischt.<br />
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== Die Bedeutung von Beraterrollen ==<br />
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Im engen Zusammenhang mit den Begriffen der Experten- und Prozessberatung steht das Konzept der Beraterrollen. Die Beraterrollen bieten eine noch stärkere Differenzierung des Beraterverhaltens an. <br />
<br />
Lippitt & Lippitt beschreiben ein Modell, das die Rollen des Beraters während eines Beratungsprozesses anzeigt und an einer Skala von nicht-direktiv zu direktiv misst: <br />
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[[Bild:Abbildung_Beraterrollen.JPG]]<br />
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Abbildung Beraterrollen (''Lippitt & Lippitt 1999: 84'')<br />
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''Die Autoren (ebd.) bieten dem Berater neun mögliche Rollen an.''<br />
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Die Rolle des Beobachters ist auf das Stellen von Fragen beschränkt; <br />
<br />
der Prozessberater darf schon Feedback geben; <br />
<br />
der Faktenermittler fordert zur Interpretation der von ihm gesammelten Daten auf; <br />
<br />
der Erkenner von Alternativen schlägt Alternativen vor und berät den Klienten bei deren Auswahl; <br />
<br />
der Mitarbeiter an Problemlösungen entscheidet mit; <br />
<br />
der Trainer schult den Klienten; <br />
<br />
der Experte prüft Lösungen auf Basis seiner Fachkompetenz und liefert Informationen; <br />
<br />
der Advokat übernimmt die Verantwortung für den Problemlösungsprozess und überredet den Klienten, falls nötig, zur Akzeptanz seiner Vorschläge.<br />
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== Fazit ==<br />
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<br />
Bei fehlender Übereinstimmung zwischen der vom Berater angebotenen und der vom Kunden gewünschten Beratungsart oder der Vermischung von Beraterrollen können Kommunikationsdefizite oder Konflikte entstehen. Dadurch kann der Beratungserfolg gefährdet werden.<br />
<br />
Durch die Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung wird eine erste Differenzierung für das Vorgehen in einem Beratungsprojekt möglich. Diese Differenzierung kann durch das Rollenmodell weiter angepasst werden. Es lohnt sich also, sich mit diesem Thema bei der Auftragsklärung und Abwicklung zu beschäftigen, um den Beratungserfolg zu unterstützen.<br />
<br />
Nach Wick (''2000: 173 ff.'') steht bei den von KMU-Unternehmen gewünschten Beraterrollen die des Problemlöser an erster Stelle, gefolgt von der des Prozessberaters und des neutralen Dritten (''Entscheidungshelfer''). <br />
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== Quellen ==<br />
<br />
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Backhausen, Wilhelm; Thommen, Jean-Paul: Coaching, durch systemisches Denken zu innovativer Personalentwicklung. Wiesbaden, Gabler 2003<br />
<br />
König, Eckard; Volmer, Gerda: Systemische Organisationsberatung, Grundlagen und Methoden. Weinheim, Dt. Studien-Verlag, 2000<br />
<br />
Lippitt Gordon L.; & Lippitt Ronald: Beratung als Prozess, was Berater und ihre Kunden wissen sollten. Leonberg, Rosenberger Fachverlag, 1999<br />
<br />
Wick, Veronika: Mittelständische Unternehmen und ihre Berater, ein netzwerkorientiertes Konzept der Nutzung von externen Beratungsleistungen. St. Gallen, Univ., Diss., 2000<br />
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'''Schlagwörter''': Unternehmensberatung, Beraterrollen, Beratungserfolg<br />
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== Autorin ==<br />
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Jutta Strake</div>87.178.85.190